Heiße Herzen - kalte Rache
1. KAPITEL
Aufmerksam ließ Constantine Atraeus den Blick über die Trauergemeinde schweifen, die sich zu Roberto Ambrosis Beerdigung eingefunden hatte. Dann fand er endlich, wonach er gesucht hatte. Sie.
Mit ihrem langen blonden Haar und dem sinnlichen, weiblichen Körper stach Robertos glutäugige Tochter Sienna unter den anderen Gästen hervor wie ein wunderschöner Paradiesvogel unter Krähen.
Als er ihre Tränen bemerkte, wurde Constantine unwillkürlich von Mitgefühl übermannt, das er jedoch rasch wieder abschüttelte. Genauso wie die Erinnerungen. Auch wenn Sienna unschuldig wie ein Engel aussah, so durfte er doch nie vergessen: Seine ehemalige Verlobte war die neue Chefin ihres Familienunternehmens, das mit dem Perlenhandel reich geworden war, jetzt allerdings vor dem finanziellen Untergang stand. Vor allen Dingen aber war sie eine Ambrosi. Die Mitglieder dieser einst so wohlhabenden Familie zeichneten sich durch zwei Dinge aus: Sie sahen allesamt unverschämt gut aus – und waren völlig auf Profit fixiert.
Sienna war das beste Beispiel dafür: Damals, vor zwei Jahren, hatte sie es einzig und allein auf sein Geld abgesehen.
„Sag bloß nicht, dass du wieder hinter ihr her bist“, bemerkte Constantines Bruder Lucas. Er wirkte müde, wie er da etwas steif aus dem Audi kletterte. Kein Wunder, Constantine hatte ihn nach seinem Langstreckenflug von Rom nach Sydney gerade erst am Flughafen abgeholt.
Da Lucas in Sydney ein zweitägiges Meeting erwartete, trug er Businesskleidung, im Wagen hatte er allerdings sein Jackett und die Krawatte abgelegt. Zane, in schwarzen Jeans und einem gleichfarbigen Hemd, war bereits ausgestiegen und musterte die Beerdigungsgesellschaft durch seine dunkle Sonnenbrille.
Lucas verfügte über eine äußerst maskuline Ausstrahlung, weswegen ihn die Medien gerne als knallharten Geschäftsmann abstempelten. Zane, der sozusagen ihr Halbbruder war, ließ ebenfalls keinen Zweifel daran aufkommen, dass mit ihm nicht zu spaßen war. Als Teenager hatte er sich auf den Straßen von Los Angeles durchgeschlagen, bis ihr Vater ihn dort gefunden hatte. Constantine war davon überzeugt, dass seine Brüder keine Gnade kannten, wenn es darum ging, die Interessen der Familie zu schützen.
Während Constantine sein Jackett überzog, das er auf dem Rücksitz des Wagens abgelegt hatte, beobachtete er, wie Sienna die Beileidsbekundungen der Trauergäste entgegennahm.
Konnte es sein, dass er sich tatsächlich noch zu ihr hingezogen fühlte? Schließlich hätte auch sein Anwalt die Formalitäten mit Sienna regeln können.
Nein, das war es nicht. Bereits vor zwei Jahren hatte Constantine gelernt, Sex und Geschäft strikt voneinander zu trennen. Er war fest entschlossen, dass dieses Mal nach seinen Regeln gespielt werden würde, sollte Sienna Ambrosi nochmals in seinem Bett landen.
„Ich bin bestimmt nicht hier, um Blumen auf Robertos Grab zu legen.“ Constantine warf Lucas einen düsteren Blick zu.
„Oder sie in Ruhe trauern zu lassen“, erwiderte sein Bruder ironisch. „Schon mal was von dem Wort morgen gehört?“ Nachdem Lucas sein Jackett übergezogen hatte, schlug er lautstark die Tür der teuren Limousine zu.
Constantine zuckte zusammen. Lucas war nicht alt genug, um sich an jene Zeiten zu erinnern, als die Atraeus-Familie so arm gewesen war, dass sie sich noch nicht einmal ein Auto leisten konnten. Constantine hingegen erinnerte sich sehr wohl. Zwar hatte sein Vater kurz darauf eine ergiebige Goldmine auf der Mittelmeerinsel Medinos entdeckt, doch Constantine würde nie vergessen, wie es sich anfühlte, nichts zu besitzen. „Für die Ambrosis wird es morgen schon zu spät sein.“ Resigniert betrachtete Constantine die Presseleute, die sich eingefunden hatten und wie die Geier auf ihren großen Moment warteten. „Außerdem habe ich den Eindruck, dass die Neuigkeiten schon nach außen gedrungen sind. Mir ist gleichgültig, ob das Timing schlecht ist. Ich will Antworten.“ Und das Geld zurück, das Roberto Ambrosi ihrem sterbenden Vater aus der Tasche gezogen hatte.
Beerdigung hin oder her – Constantine war fest entschlossen, den Betrug aufzudecken, dem er vor gerade einmal einer Woche auf die Schliche gekommen war. Nachdem er tagelang vergebens versucht hatte, telefonisch mit den Ambrosis Kontakt aufzunehmen, und sogar stundenlang das offenbar verlassene Familienanwesen beobachtet hatte, war seine Geduld erschöpft. Seine anfängliche Absicht, die Sache diskret abzuwickeln,
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