Heiße Sonne der Verführung
verschränkte verdrießlich ihre Arme. »Ist es nicht so, Señor Avilar?«
»Von irgendjemandem? Nein. Und von Euch, Señorita, erst recht nicht.« Domingo machte eine Verbeugung, schlug seine Fersen zusammen und folgte seinem Captain.
Vielleicht war sie ja ein winziges bisschen zu voreilig gewesen, die Ergebnisse seiner Bemühungen so scharf zu kritisieren. Besonders vor seinen Männern. Jeder andere Pirat hätte auf sämtliche Güter Anspruch erhoben und das Schiff dann versenkt, wobei die Menschenleben an Bord nicht mehr als eine Unannehmlichkeit für ihn bedeutet hätten. Aber das spielte nun auch keine Rolle mehr, denn es war offensichtlich, dass er nur sehr wenig von ihrer Meinung hielt. Sie war äußerst ärgerlich, entschied sie, diese Beschränkung, die er sich selbst auferlegte, indem er jedes Aufblitzen von Gefühl nach einem kleinen Ausbruch gleich wieder unterdrückte; und sie fragte sich, was ihn so hatte werden lassen, denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein Kind mit einer so abscheulichen Veranlagung geboren wurde. Sie war Zeugin dieser kurzen, ungezwungenen Momente gewesen, in dem Durchgang in der Berberei, im Seidenzelt des Beduinen und an der Küste von Tanger. Und vor wenigen Momenten erst im Frachtrumpf. Er war verschlossen und wartete nur darauf, freigelassen zu werden, und sie überlegte, ob er vielleicht Angst vor seiner eigenen Courage hatte.
Ransom und Angst haben?
Ha!
Selbst jetzt schritt er unter den Feinden umher, unbewaffnet bis auf ein paar Messer, die in seinem breiten Ledergürtel steckten, sein gebräunter Brustkorb entblößt und verwundbar. Er half, die Toten und die Trümmer ins Meer zu werfen. Dann befahl er, ein großes Beiboot herunterzulassen, und die Sklavenhändler, die sich weigerten, dem neuen Captain Treue zu schwören, wurden für ihre Verbrechen aufs Meer hinausgeschickt. Seine Bewegungen waren effizient, genau berechnet und unerbittlich, und sie sah, dass er kein bisschen zweifelte an der Richtigkeit seines Tuns, nicht einmal, als er ein kleines Mädchen in Stoff wickelte und in sein Grab schickte. Eine Vielzahl an Menschen schlurfte über die Decks, mit milchig weißer, englischer Haut, die sich krass gegen die der Afrikaner abhob. Einige von ihnen waren zu schwach zum Stehen oder wie gelähmt angesichts ihrer plötzlichen Freiheit. Araber, Chinesen, selbst solche, die deutlich nordisch aussahen, waren von den Sklavenhändlern nicht verschont geblieben. Es freute sie zu sehen, wie Ran das Schwert des Sklavenkapitäns einem großen, dunkelhaarigen Mann mit stechend grünen Augen anbot und ihm die Befehlsgewalt über das eroberte Schiff überließ. Seine Gefangenschaft hatte ihn schwach und seine Haut fahl werden lassen. Aurora wusste, dass die meisten sehr viel länger Gefangene gewesen waren als sie. Als sie ihre langen Haare über ihren Arm wickelte, damit niemand darüber stolperte, schaute er auf.
»Mistress.« Er verbeugte sich und stützte seine gefesselten Hände auf dem Heft des Schwertes ab, dessen Spitze ins Deck stach. »Ich wusste nicht, dass Ihr ebenfalls an Bord wart.«
»Ihr seid ein Kolonist, ein Amerikaner«, entgegnete sie fasziniert, während sie über zerrissene Taue und herumliegende Kisten stieg, um schließlich vor dem Mann stehen zu bleiben.
»Ja, und ich bin stolz darauf, Mistress. Evan Pierce«, stellte er sich vor.
»Mein Name ist Aurora, M’lord.«
»Ich bin niemandes Lord« ,unterbrach er sie mit sarkastischem Ton.
»Dann wird es wohl so sein.« Sie legte ihre Hand auf die seine und fuhr zusammen, denn seine Qual und Hoffnungslosigkeit schienen auf sie überzugehen. »Es bereitet Euch Schmerzen?« Sie nickte in Richtung seines verwundeten Beines.
Er schaute nicht hinunter, aus Angst, dass dieser Anblick ihn daran erinnern könnte, dass er es schon bald verlieren würde. »Ist auszuhalten.«
»Es wird nicht abgenommen werden müssen, Sir«, bemerkte sie. Er wurde ganz starr, und seine grünen Augen verengten sich.
»Was sagt Ihr da, Mädchen?« Evans Blick schoss zum Schiffsarzt hinüber, der ihn erst kurz zuvor gegenteilig informiert hatte, dann schaute er zu ihr zurück. »Besitzt Ihr die Kenntnisse einer Heilerin?« Er war zu allem bereit, wenn er nur sein Bein nicht verlieren würde.
Sie zuckte mit ihren Schultern. »Ich habe meine eigenen Heilmethoden, drücken wir es so aus.« Sie stellte niemals ihre Sensibilität in solchen Dingen in Frage.
»Sie hat keine Ahnung!«, fauchte der Schiffsarzt und reagierte
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