Heisskalte Glut
man sie. Trunkenbolde
und Huren, alle miteinander.
Aber ich bin doch gar nicht so! Dieser stumme Schrei wollte sich manchmal einen Weg nach
außen bahnen, aber Faith unterdrückte ihn immer. Warum nur konnten die Leute
nicht über den Namen hinaussehen? Sie malte sich nicht das Gesicht an, noch
trug sie zu kurze und zu enge Sachen wie Renee und Jodie. Weder trank sie, noch
hielt sie sich in zwielichtigen Lokalen auf, um irgendeinen Kerl aufzureißen.
Ihre Kleidung war billig und schlecht gemacht, aber sie hielt sie sauber. Sie
verpaßte keinen einzigen Schultag, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Außerdem
hatte sie gute Zensuren und sehnte sich nach Anerkennung. Sie wollte einen
Laden betreten können, in dem das Verkaufspersonal sie nicht mit Argusaugen
verfolgte, weil sie eine von diesen verwahrlosten Devlins war, von denen ja
jeder wußte, daß sie stahlen wie die Raben. Sie wollte einfach nicht, daß
Menschen bei ihrem Anblick hinter ihrem Rücken tuschelten.
Ihre Ähnlichkeit mit Renee, viel betonter als die zwischen Jodie
und ihrer Mutter, war dabei wenig hilfreich. Faith hatte das gleiche dichte,
dunkelrot lodernde Haar, den gleichen porzellanweißen Teint, die gleichen
hohen Wangenknochen und exotischen grünen Augen. Ihr Gesicht hatte nicht
dieselbe perfekte Ausgewogenheit wie das von Renee, es war schmaler und ihr
Kinn etwas betonter, und ihr Mund war zwar breit, aber nicht so sinnlich. Renee
hatte eine weibliche Figur, wogegen Faith sowohl größer als auch schlanker war.
Ihr Körperbau war viel zarter. Ihr Busen hatte endlich zu wachsen begonnen,
fest und vorwitzig. Jodie aber hatte in ihrem Alter bereits einen Büstenhalter
getragen, der zwei Nummern größer war.
Weil sie Renee äußerlich so ähnlich war, schienen die Leute auch
das gleiche Benehmen von ihr zu erwarten. Sie machten sich nicht die Mühe, ihre eigenen Vorurteile
zu hinterfragen. Faith war eben wie der Rest der Familie: mitgefangen, mitgehangen.
»Aber eines Tages werde ich hier ausbrechen, Scottie«, sagte sie
leise. »Da kannst du sicher sein.«
Scottie reagierte nicht, sondern hämmerte weiter gegen die
Drahttür.
Wie immer, wenn sie sich selbst aufheitern wollte, dachte sie an
Gray. Ihre heftigen Gefühle waren in den drei Jahren, seit sie ihn mit
Lindsey Partain hatte schlafen sehen, nicht abgeflaut.
Im Gegenteil, sie erschienen ihr jetzt noch intensiver. Die vollkommene
Hingabe, mit der sie ihn als Elfjährige beobachtet hatte, hatte sich einerseits gesteigert, andererseits aber auch
verändert. Heute mischten sich körperliche Sehnsüchte mit romantischen
Vorstellungen, die bei ihrer Erziehung weit ausführlicherer Natur waren, als
man es von einem vierzehnjährigen Mädchen erwartet hätte.
Ihre Träume waren aber nicht nur von ihrer eigenen Umgebung
beeinflußt. Jener Tag, als sie Gray und Lindsey Partain – mittlerweile
Lindsey Mouton – im Sommerhaus beobachtet hatte, hatte ihr viel von Grays Körper gezeigt. Sein Geschlechtsteil
war vor ihrem Blick verborgen gewesen, weil er ihr den Rücken zugewandt hatte – was nicht so schlimm war, denn
sie wußte, wie so etwas aussah. Nicht nur hatte sie Scottie sein ganzes Leben
lang umsorgt, auch Papa und Russ und Nicky zogen das Ding, wenn sie betrunken
waren, einfach aus der Hose und pinkelten lieber direkt vor die Tür, als die
Toilette aufzusuchen.
Aber Faith kannte Grays Körper gut genug, daß
sie davon träumen konnte. Sie wußte, daß er kräftige, schwarzbehaarte Beine
hatte, daß sein Hintern klein und rund und fest war und daß direkt darüber zwei
bezaubernde Grübchen lagen. Sie wußte, daß er kräftige, breite Schultern und
einen langen Rücken besaß und sein Rückgrat tief zwischen den ausgeprägten
Muskeln eingegraben lag. Auf seiner breiten Brust hatte sie einen schwarzen
Haarflaum bemerkt.
Sie wußte, daß er, wenn er liebte, es auf französisch und mit
tiefer, lockender, zärtlicher Stimme tat.
Seine Fortschritte an der LSU hatte sie mit heimlicher Freude
verfolgt. Er hatte in zwei Fächern, nämlich Volks- und Betriebswirtschaft, mit
einem Diplom abgeschlossen, weil er sich auf die irgendwann anstehende
Übernahme der Rouillardgeschäfte vorbereitete. So gut er auch als Footballer
gewesen war, eine Karriere als Profi hatte er nicht angestrebt. Statt dessen war
er zurückgekehrt, um Guy zur Seite zu stehen. Jetzt würde sie das ganze Jahr
über Blicke von ihm erhaschen können, nicht nur während der Sommerferien und an
Feiertagen.
Leider war
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