Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
KAPITEL EINS
Falls Jamon Mondo es noch ein einziges Mal wagen sollte, mich anzurühren, würde ich ihn kaltmachen. Doch dann hätte ich seine Leute am Hals. Seine Dingomutanten würden nach meinem Blut lechzen und mich jagen, bis sie mich zur Strecke gebracht hätten.
Parasiten!
Was sollte ich tun?
Ich schaute mich in meinem Apartment um. Es war ziemlich lange her, seit ich meinem Zimmer zum letzten Mal einen Anstrich verpasst hatte, und überall bröckelte der Putz von den Wänden. Schließlich sah ich zu Merry 3# hinüber, einer transparenten Replik meines Körpers. Ich wünschte, sie hätte eine Antwort auf meine Probleme.
Aber sie war nicht besonders gesprächig. Mein Gegenüber bestand hauptsächlich aus einem frechen Grinsen und einer Menge durchsichtiger Haut. Ständig lag sie mir in den Ohren, wer für mich angerufen hatte und wann meine Rechnungen fällig waren. Das war das Einzige, was ich von ihr zu hören bekam. Keine wirkliche Hilfe!
Dabei steckten Merry 3# und ich bis zu unseren gepiercten Ohren in Schwierigkeiten.
Ich trieb mich seit drei Jahren im Tertiären Sektor, in der Gegend der Torley Baracken herum. Die meiste Zeit über arbeitete ich als Bodyguard. Ich versuchte, in dieser Giftküche meine eigene kleine Ecke zu verteidigen; ich dröhnte mich ständig mit Stim, einem Stimulanzmittel, und minderwertigen Proteinersatzstoffen zu. Ständig war ich auf der Suche nach einem Kredit oder einem lukrativen Tauschhandel.
Ich war von zu Hause abgehauen. Der Teufel war buchstäblich hinter mir her gewesen. Meine Mutter war von romantischen Stimmungen abhängig, eine ernste Sucht – Neuroendokrine Simulationen waren der letzte Schrei in den Vorstädten. Sie hatte mir einen sexgeilen Stiefvater beschert, der seine Finger nicht hatte bei sich behalten können. Als meine Schwester Kat uns verlassen hatte, um Proball-Profi zu werden, begann Vater damit, seine sexuellen Fantasien an mir auszuleben. Ich bin verduftet, bevor ich ihn umgebracht und meiner Mutter damit das Herz gebrochen hätte.
Der Tertiäre Sektor lag außerhalb der Stadtgrenze und war mir damals als der einzig richtige Zufluchtsort erschienen. Die Gegend bestand nicht aus viel mehr als einem vergifteten Landstrich, einem Überrest der Umweltsünden der Menschheit. Die Leute erzählten, dass man sich im ›Tert‹, wie sie ihn nannten, durchaus alleine durchschlagen konnte.
Ich kam dort ganz gut zurecht. Es gab nicht viele Frauen, die so groß waren wie ich und trotzdem flink mit ihren Fäusten und Füßen. Außerdem konnte ich einen verdammt miesen Killerblick aufsetzen, wenn es sein musste. Ich konnte auf mich selbst aufpassen und wusste, was ich wollte. Trotzdem würde ich es nie schaffen, mein Gesicht auf die Titelseite eines dieser Hochglanzmagazine zu bringen – dank einer schiefen Nase und eines zerschlagenen Wangenknochens: ein Andenken an meinen Stiefvater Kevin. Eine Schönheitsoperation hätte den Schaden wohl behoben, aber mein Gesicht erinnerte mich an das, was ich zurückgelassen hatte.
Ich lebte so vor mich hin und hatte nur wenige Probleme – bis mir Jamon Mondo über den Weg lief, oder besser gesagt: bis zu dem Moment, als er mich erstmals zur Kenntnis nahm. Mondo war schon seit Ewigkeiten einer der großen Bosse im Tert. Ich dagegen war die Neue in der Gegend.
Als er mich anheuerte, sagte Doll Feast zu mir, ich sei auf eine Goldader gestoßen. Parrish Plessis, Bodyguard der Stars. Mondo kam mir eher wie der Prinz der Finsternis vor.
Die neidischen Reaktionen der anderen Weiber in Torley verrieten mir, dass Doll Recht hatte. Also spielte ich das Spiel mit. Außerdem wäre alles besser gewesen als noch eine Dosis Stim oder ein weiterer dieser weichlichen Bürohengste, denen ich mich für ein wildes Abenteuer verkaufte.
Mein großer Traum zerplatzte schon in meiner ersten Nacht im Dienst von Jamon. Ich hatte erwartet, in meine Pflichten als Bodyguard eingewiesen zu werden, zu erfahren, wie und vor wem ich ihn beschützen sollte. Stattdessen führte er mich in seine Baracken zu einer kleinen Willkommenspartie…
Lechzende Dingomutanten mit Rastalocken, schmierigen Haaren und hervorstehenden Zähnen. Sie heulten, als hätten sich die Jupitermonde zu einer Linie aufgereiht.
»Reißt ihr die Kleider vom Leib«, befahl Jamon.
Ganze fünf von ihnen mussten mich festhalten.
Ich starrte ihn stumm an, wie ein jämmerliches Tier auf dem Weg zum Schlachthaus. Angst, scharf wie eine Rasierklinge, schnitt durch
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