Heisskalte Glut
schaute in die offene Schachtel, grunzte und
streckte ihr die andere Hand entgegen.
»Die ist auch verletzt? Die arme Hand!« Sie küßte die kleine dicke
Pfote und klebte ihm ein weiteres Pflaster drauf.
Wieder beugte er sich vor, schaute in die Schachtel, hob sie
grinsend in die Luft und streckte sein rechtes Bein vor.
»Du meine Güte, du bist ja überall verletzt!« rief Faith aus und
klebte ihm ein Pflaster auf sein Knie.
Ein letztes Mal schaute er in die mittlerweile leere Schachtel.
Dann trabte er zufrieden zur Tür zurück, während Faith sich wieder dem Essen
zuwandte.
An den
langen Sommertagen begann es um halb neun gerade erst zu dämmern, aber bereits
um acht wurde Scottie müde und döste vor sich hin. Faith badete ihn und brachte
ihn ins Bett. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie ihm übers Haar strich.
Er war solch ein süßer kleiner Junge und wußte so gar nichts von seinem
gesundheitlichen Zustand, der ihn das Erwachsenenalter nicht würde erleben
lassen.
Um halb zehn hörte sie, wie Amos mit seinem alten, ratternden
Auto vorfuhr. Sie stand auf, um den Riegel zu öffnen und ihn einzulassen. Er
stank nach Whiskey, ein scharfer, grünlich-gelber Geruch.
Er stolperte über die Türschwelle und richtete
sich auf.
»Wo ist deine Mutter?« knurrte er mit dem häßlichen Unterton, mit
dem er sprach, wenn er betrunken war. Und das war fast immer der Fall.
»Sie ist
vor etwa zwei Stunden weggegangen.«
Er torkelte auf den Tisch zu, wobei der unebene Boden jeden seiner
Schritte zusätzlich erschwerte. »Verdammte Kuh«, murmelte er. »Nie ist sie
hier. Dauernd geht sie aus und wackelt vor ihrem tollen reichen Freund mit dem
Arsch. Nie ist sie hier, um mir das Abendessen zu kochen. Wie soll da ein Mann
satt werden?« brüllte er plötzlich und schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Das Abendessen ist fertig, Papa«, erwiderte Faith leise und
hoffte, daß der Ausbruch nicht Scottie geweckt hatte. »Ich bringe dir einen
Teller.«
»Will nichts essen«, erwiderte er, ganz wie
sie es erwartet hatte. Wenn er trank, dann hatte er nie Hunger. Dann wollte er
nur noch mehr trinken. »Gibt es in diesem verdammten Haus was zu saufen?«
Strauchelnd stand er auf und öffnete die Schranktüren. Als er nichts fand,
schlug er sie laut wieder zu.
Faith reagierte schnell. »Im Jungenzimmer ist eine Flasche. Ich
hol sie dir.« Sie wollte nicht, daß Amos dort herumtorkelte, sich dann
womöglich auch noch übergäbe und Scottie weckte. Sie raste in das kleine dunkle
Zimmer und tastete unter Nickys Bett herum, bis ihre Hand auf kühles Glas
stieß. Sie zerrte die Flasche hervor und eilte in die Küche. Sie war nur noch
ein Viertel voll, aber das würde Papa zufriedenstellen. Sie schraubte den
Verschluß ab und reichte sie ihm.
»Hier,
Papa.«
»Gutes Mädchen«, sagte er erfreut und setzte die Flasche an die
Lippen. »Du bist ein gutes Mädchen, Faith. Nicht so eine Hure wie deine Mutter
und deine Schwester.«
»Sprich nicht so über sie«, protestierte sie angewidert. Sich
dieser Tatsache bewußt zu sein war eine Sache, sie auch auszusprechen eine
gänzlich andere. Außerdem sollte derjenige, der im Glashaus saß, nicht
unbedingt mit Steinen schmeißen.
»Ich kann hier sagen, was ich gottverdammt noch mal will!« brauste
Amos auf. »Widersprich mir nicht, sonst zieh ich dir einen mit dem Riemen
über.«
»Ich habe dir nicht widersprochen, Papa.« Obwohl ihre Stimme ruhig
blieb, rückte Faith vorsorglich etwas von ihm ab.
Wenn er sie nicht zu fassen bekam, dann konnte er sie auch nicht
schlagen. Vielleicht würde er etwas nach ihr werfen. Aber sie war schnell, und
seine Geschütze trafen sie nur selten.
»Tolle Kinder hat sie mir beschert«, schimpfte er. »Russ und Nicky
sind die einzigen, die ich ertragen kann. Jodie ist eine Hure wie ihre Mutter.
Und du, du bist eine besserwisserische Tucke, und der letzte ist ein
gottverdammter Idiot.«
Faith hielt den Kopf gesenkt, so daß er ihre beißenden Tränen
nicht sehen konnte. Sie setzte sich auf das alte, ausgebeulte Sofa und begann
die Wäsche zu falten, die sie heute gewaschen hatte.
Man durfte es Amos niemals merken lassen, wenn er einen verletzte.
Denn wenn er Blut roch, ging er aufs Ganze. Je betrunkener er war, desto
gemeiner wurde er. Am besten, man beachtete ihn nicht weiter. Wie alle Säufer
ließ er sich leicht ablenken. Außerdem würde er ihrer Meinung nach ohnehin
gleich umkippen.
Sie konnte sich nicht erklären, warum ihr das
alles immer noch
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