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Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition)

Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition)

Titel: Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Riordan
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Piper wollte den Dolch eigentlich nicht ziehen. Sie fürchtete sich davor, was sie dann sehen würde. Aber ihre Neugier trug den Sieg davon. Sie zog Katoptris aus der Scheide und starrte ihr Spiegelbild in der polierten Metallschneide an. Ihr Haare waren perfekt: üppig und lang und schokoladenbraun, auf der einen Seite mit goldenen Bändern durchflochten, so dass sie ihr über die Schulter fielen. Sie war sogar geschminkt, viel besser, als Piper das jemals selbst fertiggebracht hätte – ihre Lippen leuchteten kirschrot und die unterschiedlichen Farben ihrer Augen kamen richtig zur Geltung.
    Sie war … sie war …
    »Schön!«, rief Jason. »Piper, du bist … du bist einfach umwerfend.«
    Unter anderen Umständen wäre das der glücklichste Moment in ihrem Leben gewesen. Aber jetzt starrten alle sie an wie eine Missgeburt. Drews Gesicht zeigte nichts als Entsetzen und Ekel. »Nein!«, schrie sie. »Unmöglich!«
    »Das bin ich nicht«, protestierte Piper. »Ich – ich verstehe das nicht.«
    Chiron der Zentaur kreuzte seine Vorderbeine und verneigte sich vor ihr, und alle anderen Campinsassen folgten seinem Beispiel.
    »Sei willkommen, Piper McLean«, verkündete Chiron mit so ernster Stimme, als spräche er auf ihrer Beerdigung. »Tochter der Aphrodite, der Herrin der Tauben, der Göttin der Liebe.«

XI
    Leo
    Leo blieb nicht mehr lange, nachdem Piper schön geworden war. Klar, es war einfach umwerfend und überhaupt – Sie trägt Make-up! Ein Wunder! –, aber Leo hatte andere Probleme zu lösen. Er schlich sich aus dem Amphitheater und rannte in die Dunkelheit, wobei er sich fragte, worauf er sich da nur eingelassen hatte.
    Er war vor einer Bande von stärkeren, mutigeren Halbgöttern aufgestanden und hatte sich freiwillig – freiwillig! – für einen Auftrag gemeldet, den er wohl kaum überleben würde.
    Er hatte nicht erwähnt, dass er Tía Callida gesehen hatte, seine Babysitterin von damals, aber als er von Jasons Vision gehört hatte – die alte Frau in schwarzem Kleid und Tuch –, hatte Leo gewusst, dass es dieselbe Frau war. Tía Callida war Hera. Seine gemeine Babysitterin war die Königin der Götter. So was konnte einem doch wirklich das Gehirn schmelzen lassen.
    Er trottete auf den Wald zu und versuchte, nicht an seine Kindheit zu denken – an all das Chaos, das zum Tod seiner Mutter geführt hatte. Aber er konnte einfach nicht damit aufhören.
    Er war etwa zwei gewesen, als Tía Callida zum ersten Mal versucht hatte, ihn umzubringen. Sie passte auf ihn auf, während seine Mutter in der Werkstatt war. Natürlich war sie keine echte Tante – nur eine der alten Frauen aus der Nachbarschaft, die ab und zu auf die Kinder aufpasste. Sie roch wie ein in Honig gebackener Schinken und trug immer ein schwarzes Witwenkleid und ein schwarzes Kopftuch.
    »Legen wir uns doch für ein Nickerchen hin!«, sagte sie. »Wollen doch mal sehen, ob du mein kleiner tapferer Held bist, was?«
    Leo war müde. Sie wickelte ihn in seine Decken, in einen warmen Hügel aus roten und gelben – Kissen? Das Bett war wie ein kleines Fach in der Wand, es war aus rußgeschwärzten Backsteinen und hatte über seinem Kopf einen Metallspalt und weit oben ein viereckiges Loch, durch das er die Sterne sehen konnte. Er wusste noch, dass er gemütlich dort gelegen und nach Funken gegriffen hatte wie nach Leuchtkäfern. Er hatte sich vorgestellt, dass er auf einem Schiff war und nach dem Himmel navigierte. Irgendwo in der Nähe saß Tía Callida in ihrem Schaukelstuhl – knarz, knarz, knarz – und sang ein Schlaflied. Schon mit zwei kannte Leo den Unterschied zwischen Englisch und Spanisch und er wusste noch, dass er sich gewundert hatte, denn Tía Callida sang in einer Sprache, die weder das Eine, noch das Andere war.
    Alles war wunderbar, bis seine Mutter nach Hause kam. Sie schrie auf, stürzte zu ihm, riss ihn an sich und brüllte Tía Callida an: »Wie konntest du?« Aber die alte Frau war verschwunden.
    Leo erinnerte sich, wie er über die Schulter seiner Mutter die Flammen angeschaut hatte, die seine Decken umzüngelten. Erst Jahre später war ihm aufgegangen, dass er in einem lodernden Kamin geschlafen hatte.
    Das Seltsamste war, dass Tía Callida nicht verhaftet oder wenigstens aus ihrem Haus verbannt worden war. Sie war in den nächsten Jahren noch mehrere Male aufgetaucht. Einmal, als Leo drei war, ließ sie ihn mit Messern spielen. »Du musst früh lernen, mit Klingen umzugehen, wenn du einmal mein Held

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