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Helden

Helden

Titel: Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Richter
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Fontana zog mit der Stockschirmkrücke die alte Margarinedose heraus, in die Felix und ich immer die Katzenmilch gegossen hatten.
    »Sieh an, sieh an. Du fütterst sie also.«
    Sie drückte die Schirmspitze gegen meine Brust. Mein Herz klopfte bis zum Hals.
    »Na, Schätzchen, das werden wir uns aber abgewöhnen müssen! Nicht wahr? Du weißt doch, dass die Hausordnung jedwede Tierhaltung verbietet. Da bin ich aber gespannt, was deine Mutter dazu sagt.«
    »Meine Mutter weiß nichts davon«, sagte ich, während mir die Tränen in die Augen schossen.
    »Das wird sich ändern«, antwortete Fräulein Fontana. Sie wandte sich Herrn Pohling zu.
    »Dann wollen wir der Frau Mutter mal einen Besuch abstatten. Komm, Hubert.«
    Herr Brüning wollte auch mitgehen, aber Herr Pohling schob ihn zurück.
    »Du bleibst hier, Benno. Ulrike und ich erledigen das schon.«
    »Ersäufen«, lallte Benno Brüning. »Man sollte sie alle ersäufen.«
    Jetzt hatte das Unheimliche sogar noch Vornamen bekommen.
    »Komm mal her zu mir, Süße«, lallte Herr Brüning. Er torkelte einen Schritt auf mich zu. Ich rannte los.
    »Warum läufst du denn weg, Süße?«, rief Herr Brüning. »Warte doch. Warte, Kind.«
    Aber da war ich schon um die Ecke gerannt.
    Felix Vorhelm saß in Thiemanns Garage und wartete auf mich. Um ihn herum wuselten die vier kleinen Katzen.
    »Erzähl! Was haben sie gesagt?«
    »Sie sind zu meiner Mutter gegangen.«
    »Mist!«
    Durch einen Spalt vom Garagentor fiel ein Sonnenstreifen. Ein Kätzchen versuchte, den eigenen Schwanz zu fangen. Es kugelte über den Zementboden. Ich sah Staubkörner im Licht tanzen. In einer Ecke hatte Frau Thiemann die Winterreifen gestapelt. Es roch nach Altöl und Benzin, aber trotzdem war die Garage ein fabelhaftes Versteck. Im dämmrigen Licht fühlte ich mich sicher. Fast so sicher wie zu Hause im Bett, wenn ich die Bettdecke über den Kopf gezogen hatte.
    »Und jetzt?«, fragte Felix.
    »Weiß nicht«, sagte ich.
    »Na gut.« Felix griff nach einem Kätzchen und drückte es an sich. »Warten wir eben ab.«

4
    Du siehst doch, dass der Junge einen schlechten Einfluss auf sie hat«, sagt meine Mutter. »Nichts als Klagen hört man. Seitdem dieser Felix Vorhelm wieder im Haus wohnt, nichts als Klagen.«
    »Findest du nicht, du übertreibst ein bisschen?«, fragt mein Vater. »Das sind doch Kinder.«
    Ich stehe hinter der geschlossenen Wohnzimmertür, presse mein Ohr ans Holz und lausche.
    »Sie entgleitet uns, Gisbert«, sagt meine Mutter. »Den ganzen Nachmittag auf der Straße und immer mit diesem Jungen zusammen. Ein Heimkind! Gisbert, ich sage dir, sie entgleitet uns.«

MUTPROBE
    Der 17. Juli war ein Samstag.
    Wir hatten uns schon morgens in Thiemanns Garage getroffen, weil Felix Vorhelm meinte, dass er uns unbedingt etwas zeigen müsse. Ich platzte fast vor Neugierde, denn Felix hatte es diesmal besonders spannend gemacht. Es würde eine Art Prüfung sein, hatte er gesagt, eine Mutprobe, ein Eignungstest für Meisterdetektive.
    Zuerst mussten wir schwören. Wir mussten schwören, dass wir nie irgendwem davon erzählen würden.
    »Wenn es was Verbotenes ist, schwöre ich nicht«, sagte Corinna Thiemann.
    »Dumme Gans«, zischte Felix. »Alles, was spannend ist, ist verboten.«
    »Aber nicht wieder Feuer«, sagte Corinna.
    »Im Gegenteil«, grinste Felix.
    Ich puffte Corinna mit dem Ellenbogen in die Rippen. »Komm, sei kein Spielverderber!«
    »Aber ich hab keine Lust mehr auf Stress«, sagte Corinna, und ihre Stimme wurde weinerlich. »Ihr habt ja keine Ahnung, was bei uns zu Hause los ist. Ich hab schon Fernsehverbot und Schwimmbadverbot. Wenn ich noch einmal Scheiß baue, kriege ich Hausarrest. Versteht ihr: HAUSARREST !«
    »Kannst ja abhauen«, sagte Felix. »Musst ja nicht mitmachen im Club der Meisterdetektive.«
    Corinna kaute auf ihrer Unterlippe. Ich wusste, was sie dachte. Wenn sie jetzt gehen würde, war das genauso schlimm wie Hausarrest. Freiwillig zwar, aber genauso schlimm.
    »Na komm«, sagte ich.
    Corinna zögerte.
    »Na komm«, sagte Felix.
    »Also gut«, sagte Corinna.
    Wir schworen beim Leben unserer Mütter und Väter und bei allem, was uns heilig war.
    »Also dann«, sagte Felix. »Folgt mir.«
    Er führte uns aus Thiemanns Garage. Wir überquerten die Straße, gingen den schwarz verkohlten Trampelpfad am Bahndamm entlang und gelangten so hinter Fräulein Fontanas Haus.
    Der Heckenrosenstrauch, hinter dem wir uns verstecken mussten, hatte schon wieder ausgetrieben.

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