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Heldenplatz (German Edition)

Heldenplatz (German Edition)

Titel: Heldenplatz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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gehalten
    es war ihm immer gleichgültig was sie gedacht hat
    sie hat sich ja nie durchgesetzt
    Oxford ist mir ein Alptraum
    aber Wien ist mir jeden Tag
    der viel größere Alptraum
    ich kann hier nicht mehr existieren
    ich wache auf und habe es mit der Angst zu tun
    die Zustände sind ja wirklich heute so
    wie sie achtunddreißig gewesen sind
    es gibt jetzt mehr Nazis in Wien
    als achtunddreißig
    du wirst sehen
    alles wird schlimm enden
    dazu braucht es ja nicht einmal
    einen geschärften Verstand
    jetzt kommen sie wieder
    aus allen Löchern heraus
    die über vierzig Jahre zugestopft gewesen sind
    du brauchst dich ja nur mit irgend einem unterhalten
    schon nach kurzer Zeit stellt sich heraus
    es ist ein Nazi
    gleich ob du zum Bäcker gehst
    oder in die Putzerei in die Apotheke
    oder auf den Markt
    in der Nationalbibliothek glaube ich
    ich bin unter lauter Nazis
    sie warten alle nur auf das Signal
    um ganz offen gegen uns vorgehen zu können
    sie ruft
    Laß dir nur Zeit Onkel Robert
    wir warten hier
    zu Olga
    In Österreich mußt du entweder katholisch
    oder nationalsozialistisch sein
    alles andere wird nicht geduldet
    alles andere wird vernichtet
    und zwar hundertprozentig katholisch
    und hundertprozentig nationalsozialistisch
    OLGA  
    Die Mutter wird es nicht lang in Neuhaus aushalten
    ANNA  
    Am Samstag ist ja in der Josefstadt Minna von Barnhelm
    da geht sie sicher
    in Neuhaus kann sie die Zittel herumkommandieren
    OLGA  
    Und die Herta
    nimmt sie die auch mit
    ANNA  
    Auf die Herta kommt es schon nicht mehr an
    die soll sie ruhig behalten
    die Zittel kann ja die groben Arbeiten
    nicht mehr machen
    die Zittel ist ja jetzt schon die Hausdame
    und nur in zweiter Linie Wirtschafterin
    Der Vater hat sich ja in den letzten Jahren
    mehr mit der Zittel unterhalten
    als mit der Mutter
    ohne die Zittel wäre nichts mehr gegangen
    OLGA  
    Lebt ihre Mutter noch
    ANNA  
    Die ist zweiundneunzig
    in einem Altersheim in Kritzendorf
    der Vater hat das bezahlt
    das geht jetzt nicht mehr
    OLGA  
    Die Mutter hat ja nicht nur die Pension
    ANNA  
    Sie hat ja noch immer
    die Essigfabrik
    und die Fezfabrik
    wenn sie sich auch darum nicht mehr kümmert
    sie verdient damit Unsummen
    selbst der Vater hat die Fabriken
    nicht umbringen können
    ruft dem Onkel zu
    Wir warten hier Onkel Robert
    wir haben Zeit
    Die Zittel hat gekocht
    zu Olga
    In Oxford hat er sein Buch fertigschreiben wollen
    wahrscheinlich ist das Ganze jetzt kaputt
    Das Klavier vorausgeschickt
    so ein Unsinn
    solang ich in der Nationalbibliothek arbeiten kann
    ist ja alles in Ordnung
    mir ist das schon oft unerträglich
    du kannst dir ja nicht vorstellen
    wie blödsinnig diese Leute sind
    Der Direktor ist ein unerträglicher Mensch
    zu Mittag setzt er sich genau an den Tisch
    mir gegenüber
    ein Salzburger oder Tiroler
    jedesmal verdirbt er mir schon wenn er auftaucht
    den Appetit
    mein Gott diese Leute
    aber bei uns wird ja auch alles nur parteipolitisch besetzt
    die Leute können gar nicht beschränkt genug sein
    um auf die höchsten Posten zu kommen
    überall sitzen diese Idioten
    das ist es ja auch das den Vater immer
    wahnsinnig gemacht hat
    die Universität ist ja auch voller Idioten
    darunter hat er die zwanzig Jahre gelitten
    steiermärkische Trottel salzburgische Idioten
    als Kollegen
    das geistige Leben in dieser Stadt
    ist ja schon beinahe erstickt in der Niederträchtigkeit
    und in der Stumpfsinnigkeit seiner Postenschacherer
    Von meinen Kollegen sind ja neunzig Prozent Nazis
    hat der Vater gesagt
    entweder sie vertreten den katholischen
    oder den nationalsozialistischen Stumpfsinn
    gemein und niederträchtig sind sie alle
    die Stadt Wien ist eine einzige stumpfsinnige Niederträchtigkeit
    Es ist ihm ja gar kein Gespräch mehr möglich gewesen
    am Ende hat er nurmehr noch den Onkel Robert gehabt
    OLGA  
    Du müßtest ja nicht
    in die Nationalbibliothek gehen
    ANNA  
    Was denn sonst
    ohne die Nationalbibliothek hielte ich es
    ja überhaupt nicht aus
    ich wüßte mit meinem Leben nichts anzufangen
    du glaubst doch nicht
    daß ich untätig zuhause sitzen könnte
    das hab ich nie zustande gebracht
    Warten darauf was die Fabriken abwerfen wie die Mutter
    davor hat es mich immer gegraust
    Die Mutter hätte sich auch geistig beschäftigen sollen
    dann wär es mit ihr nicht soweit gekommen
    Die Josefstadtgeherei ist ja nur eine Marotte
    in die Krankheit geflüchtet
    Ich gehe in Minna von Barnhelm
    das ist ja keine Geistesbeschäftigung
    diesen Leuten regelt

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