Heldenplatz (German Edition)
Wahl
was der Österreicher auch wählt
es ist niederträchtig
PROFESSOR LIEBIG
Es ist nur eine Frage der Zeit
daß die Nazis wieder an der Macht sind
alle Anzeichen sprechen dafür
die Roten und die Schwarzen spielen alles den Nazis in die Hände
PROFESSOR ROBERT
Da geschieht ja gerade das
das ein Großteil der Österreicher will
daß der Nationalsozialismus herrscht
unter der Oberfläche ist ja der Nationalsozialismus
schon längst wieder an der Macht
HERR LANDAUER
Das Gespenst tritt aufeinmal als starker Mann
über Nacht auf
PROFESSOR ROBERT schaut auf den Heldenplat z
Die Zukunft schon die nächste Zukunft Herr Landauer
wird Ihnen recht geben
Für mich persönlich ist das alles kein Problem
auf dem Döblinger Friedhof nicht
mein Bruder Josef kann von Glück reden
daß ihm ein so spontaner Abgang gelungen ist
Ich habe Selbstmörder immer bewundert
ich habe nie gedacht daß mein Bruder dazu imstande sein könnte
Ach wissen Sie das Leben ist tatsächlich eine Komödie
deutet auf die herumstehenden Kisten und Koffer
auf allen diesen Kisten und Koffern steht Oxford
und alles kommt nach Neuhaus
mein Bruder hat ja die Wohnung schon verkauft
an einen persischen Geschäftsmann
der in Istanbul lebt
ich kenne die Summe nicht
es ist mir auch gleichgültig wieviel der Perser bezahlt hat
Der Bösendorfer ist schon nach Oxford vorausgeschickt
per Schiff wie in alten Zeiten
zu Anna
Jetzt kannst du zusehen wie der Bösendorfer
wieder nach Wien zurückkommt
Deine Mutter hat nie gut gespielt
dilettantische Klimperei
die Ännchenarie aus dem Freischütz
zu mehr hat es nicht gereicht
aber vergessen wir nicht was sie zeitlebens
für uns getan hat
zu Professor Liebig und Herrn Landauer
Zuerst glaubten wir alle
es ist ein einmaliger Vorfall
schließlich hat es sich zu einer chronischen Krankheit entwickelt
beugt sich vor
Sie hört seit Monaten wieder auf geradezu beängstigende Weise
die Massen auf dem Heldenplatz schreien
Sie wissen ja fünfzehnter März
Hitler zieht auf dem Heldenplatz ein
ANNA
In Neuhaus hat sie die Anfälle nicht
PROFESSOR ROBERT
Medizinisch ganz leicht erklärbar
aber nicht heilbar
ANNA
Ich bin froh daß die Wohnung verkauft ist
Die Wohnung hat uns kein Glück gebracht
PROFESSOR ROBERT
Ich habe ja immer gesagt
nicht in der Inneren Stadt wohnen
die Fenster auf den Heldenplatz
das ist ja Wahnsinn
OLGA
Die Mutter wollte ja nicht in die Wohnung
PROFESSOR ROBERT
Tiefsitzender Schock sozusagen
sie hat sich mit Händen und Füßen
gegen diese Wohnung gewehrt
aber Josef war wie besessen davon
Da habe ich nicht weit in die Universität
Schon gleich wie sie eingezogen waren
hatte sie schon am ersten Tag den ersten Anfall
Eine Marotte ist gedacht worden
denn eure Mutter war ja immer eine Theatralikerin
aber es saß doch tief
es war kein Theater
Gerade sie die immer Theater gemacht hat
schließlich ein chronischer Krankheitsprozeß
Wie spät ist es denn
OLGA
Drei Uhr
FRAU ZITTEL tritt ein, stellt einen Glaskrug mit Wasser auf den Tisch und geht wieder hinaus
PROFESSOR ROBERT
Frau Professor Liebig
Sie kennen doch Karlsbad sehr gut
Was halten Sie von einer Kur in Karlsbad
FRAU LIEBIG
Ich bin fünfzig Jahre nicht mehr in Karlsbad gewesen
PROFESSOR ROBERT
Aber Sie wissen doch wie es dort aussieht
FRAU LIEBIG
Ich weiß wie es vor fünfzig Jahren in Karlsbad ausgesehen hat
PROFESSOR ROBERT
Vor fünfzig Jahren natürlich
wahrscheinlich schaut es jetzt in Karlsbad
ganz anders aus
ich war niemehr in der Tschechei
Es soll sehr schöne Hotels geben in Karlsbad
PROFESSOR LIEBIG
Nach Karlsbad kann man nicht gehen
Mag sein die Hotels sind dieselben
das Mauerwerk ist dasselbe
aber die Atmosphäre ist heute unerträglich
überall wo der Kommunismus herrscht
PROFESSOR ROBERT
Wahrscheinlich wäre es auch ein Unsinn
in meinem Alter nach Karlsbad zu fahren
unter allen heutigen Umständen
meine Eltern sind noch in fünf Stunden im Expreßzug
von Wien nach Karlsbad gefahren
Schlafwagen erster Klasse
PROFESSOR LIEBIG
Ab sechzig eine Kur zu machen
wenn man nie eine Kur gemacht hat
ist völlig unsinnig
Die Monarchie war auch kein Idealzustand
Glauben Sie es wird jemals wieder so etwas
wie eine österreichische Monarchie geben
PROFESSOR ROBERT
Nein nie
Es wird nichts mehr geben nichts
PROFESSOR LIEBIG
Nichts
PROFESSOR ROBERT
Nichts
PROFESSOR LIEBIG
Wie hatten
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