Heldenplatz (German Edition)
Sie denn seinerzeit
den Lehrstuhl in Cambridge bekommen
PROFESSOR ROBERT
Durch Professor Strotzka
den kannte ich aus Wien
der war schon vierunddreißig nach England
großartiger Mann
nach dem Krieg hat er mir und meinem Bruder
auch wieder in Wien die Professur verschafft
der Professor Strotzka ist ja unser Lebensretter
jetzt auch schon auf dem Döblinger Friedhof begraben
alle diese großartigen Leute liegen auf dem Döblinger Friedhof
auf dem Döblinger Friedhof und auf dem Grinzinger Friedhof
liegen die österreichischen Geistesmenschen begraben
ruft aus
Strotzka
Hat uns in Dover abgeholt
und in sein Haus gebracht bei Reading kleine Villa
immer bescheiden gelebt aber anspruchsvoll
die englischen Verhältnisse damals waren nicht die besten
die englischen Regierungen waren schwachsinnig
Nach Steinhof geflüchtet zu Strotzkas Bruder
der war Primar in Steinhof
zwölf Tage in Steinhof gezittert
und dann in die Schweiz
in Genf hausten wir in einem Kellerloch
die Schweizer sind mir nicht in der besten Erinnerung
die Schweizer sind ein charakterloses Volk insgesamt
Aber Sie wissen ja Ausnahmen bestätigen die Regel
Goethes Tasso gelesen im Genfer Kellerloch
und das alles mit Anna und Olga
Josef ging nach Oxford ich nach Cambridge
aber es hat zwei Jahre gedauert
bis wir eine Vorlesung machen durften
und wir hatten in dieser Zeit auch kein Geld verdient
PROFESSOR LIEBIG
Meine Frau und ich
waren acht Jahre in Caltanissetta versteckt wie Sie wissen
PROFESSOR ROBERT
Strotzka hat uns gerettet zweifellos
übrigens ein hervorragender Wissenschaftler
FRAU ZITTEL tritt mit einem zweiten Glaskrug voll Wasser ein, stellt ihn auf den Tisch und geht wieder hinaus
ANNA zu ihrem Onkel
Wenn du dem Bürgermeister einmal ein Abendessen gibst
wäre schon gewonnen
Du kannst mit diesen Leuten so gut umgehen
PROFESSOR ROBERT zu Professor Liebig
Nach England zu gehen war ja ein großes Glück
den Professor Strotzka habe ich noch im Dezember ein paarmal
im Papageno in diesem verrauchten Gasthaus gesehen
dahin ist er immer essen gegangen mit seiner Frau
jetzt ist er auch schon tot
Ich gehe ja jedesmal an seinem Grab vorüber
auf dem Döblinger Friedhof
Die eine Hälfte der Schuster liegt auf dem Grinzinger Friedhof
die andere auf dem Döblinger Friedhof
meine Frau ist nie in einen Park gegangen
nur auf die Friedhöfe
es ist ja auch nirgendwo schöner als auf den Friedhöfen
schaut um sich
Der Anblick von Gepäck
ist mir immer ein fürchterlicher gewesen
Das hat immer nur eine Reise ins Unglück bedeutet
FRAU ZITTEL kommt mit der Vase voller Schwertlilien herein, stellt sie auf den Tisch und geht wieder hinaus
PROFESSOR ROBERT
Blumen hat er gehaßt
Blumen und Katzen
Das ist das erstemal daß die Frau Zittel
hier Blumen aufstellt
das hätte sie sich zu Lebzeiten meines Bruders
nicht getraut
Zum erstenmal und zum letztenmal
In der freien Natur ja
hat er immer gesagt
im Haus nein
HERR LANDAUER
Ich bin in jede Vorlesung von Professor Schuster gegangen
PROFESSOR ROBERT
Er war immer pünktlich
und er hat eine exakte Arbeit abgeliefert
das war selbstverständlich
Er hatte ja auch die meisten Zuhörer
Er war natürlich mißtrauisch
er mißtraute seinen Zuhörern
Wenn sie ihn angesprochen haben seine Bücher betreffend
erteilte er ihnen eine Abfuhr
da war er unduldsam
über seine Bücher hat er nicht reden wollen
überhaupt war er kein gesprächiger Mensch
Debatten haßte er
nichts haßte er so wie Debatten
Debatten führen zu nichts
alle Welt debattiert und es kommt nur Unsinn heraus
hat er immer gesagt
Er unterhielt sich ja auch mit mir nicht über seine Arbeit
und es interessierte ihn im Grunde nicht
was ich machte er fragte nie danach
Mit dir ist ja alles in Ordnung hat er immer gesagt
das war alles
Ein eigentliches Gespräch haben wir das ganze Leben
nicht miteinander geführt
er war ein unzugänglicher Mensch wie gesagt wird
Jede selbst die äußerste Anstrengung führt zu nichts
hat er immer gesagt
alles das gemacht wird ist sinnlos
weil es letztenendes kopflos gemacht ist
er war zu kompliziert um die Welt auszuhalten
HERR LANDAUER
Einmal habe ich ihn im Palmenhaus getroffen
und er hat bedauert
daß er nicht ein ganzes Jahrhundert früher gelebt hat
Wir leben doch immer in der falschen Zeit hat er gesagt
wir wollen alle nur in der Vergangenheit leben
die haben wir uns so schön eingerichtet die Vergangenheit
wie wir
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