Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
nieder.
    Die Offiziere im Gefolge, einschließlich Captain Gransmith, grinsten befriedigt; ich folgte ihrem Beispiel, wandte aber dabei mein Gesicht beiseite, sicher war sicher.
    Bongo hatte hinterlassen, daß er in unserem Bistro, gleich um die Ecke, auf mich warte. Wir hätten auch in der Kantine der US-Dienststelle zu Mittag essen können, aber was uns Pierre, der fette Patron, an Selbstgekochtem vorsetzte, mundete uns weit besser. Wir waren verwöhnt, vor allem Bongo, der das Kunststück fertigbrachte, Feinschmecker und Vielfraß zu sein.
    Niemand wußte, woher sein Spitzname stammte, vielleicht hatte man ihn so benannt, weil er ein wenig aussah wie der Bursche, der die Urwaldtrommeln bedient. Selbst ich hatte bereits Mühe, mich an seinen richtigen Namen Kalle Klett zu erinnern. Gleich mir war er PoW und hatte einst, ein aus dem Mannschaftsstand aufgestiegener Offizier, in meiner Heimatstadt Mainbach, im schönen Frankenland, in Garnison gelegen. Der untersetzte Bongo wirkte wie ein Kerl, der aus den Nähten zu platzen drohte und vor Kraft kaum laufen konnte; er war intelligent, doch bar jeder Phantasie und deshalb in jeder Lage zufrieden.
    Die Franzosen sprachen seinen Spitznamen wie ›Boun-gooh‹ aus, die Amerikaner wie ›Bangow‹. Sowohl die GIs wie die Poilus, einschließlich der höheren Chargen, sprachen von ihm mit Respekt und gelegentlich sogar mit einem zärtlichen Unterton. Mein ehemaliger Regimentskamerad hatte ein märchenhaftes Organisationstalent; er war ein Beschaffer von Rang, der ehrlichste Dieb unter dem Himmel von Paris.
    Daß wir in der Seine-Metropole lebten und es uns weit besser ging als den anderen deutschen Kriegsgefangenen, verdankte ich Bongo. Wir waren im Dezember 44 von den Amerikanern geschnappt, später den Franzosen übergeben und in das berüchtigte Gefangenen-Camp 201 in Pouxeux gebracht worden. Soweit die Franzosen keinen Schwarzhandel trieben, hatten sie selbst nicht viel zu essen, und so schoben wir grausamen Kohldampf. Gleichzeitig wurde uns die Fettlebe in Indochina vorgegaukelt.Wir waren Elitesoldaten, deshalb wollten uns die Franzosen für den Einsatz bei der Fremdenlegion in Südostasien haben.
    Ich stellte mich dumm, aber Bongo grinste ihnen ins Gesicht; er war der Kerl, der stets die Blicke auf sich zog, und er wurde von einem sadistischen Caporal drangsaliert. Nach seinem zweiten Ausbruchsversuch unterzog er Bongo einer Prozedur, die ein anderer kaum überlebt hätte: Der Schinder stellte ihn unter die kochendheiße Brause und drehte den Dampf auf. Während man ihm minutenlang die Haut verbrühte, gab er keinen Laut von sich. Nur seine Unterlippe, in der sich die Schneidezähne verbissen hatten, wies später eine zusätzliche Infektion auf. Zur weiteren Abschreckung schlug der Caporal Bongo mit Schläuchen, bis die Haut platzte. Dann streute er ihm Salz in die offenen Wunden. Jetzt brüllte Kalle wie ein Stier, aber Stiere wollen bluten. Deutsche Ärzte brachten Bongo im Krankenhaus wieder halbwegs hin. Er konnte noch nicht richtig auf den Beinen stehen, als er zum dritten Mal türmte – diesmal nicht in Richtung Deutschland, sondern nach Paris, zu einem Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes, dessen Adresse er sich verschafft hatte.
    Der Entflohene zeigte dem Schweizer Diplomaten die Fingerabdrücke des Caporals und gab zu Protokoll, wie der Mann uns kujoniert hatte. Wütend ging der Eidgenosse zu einem US-Verbindungsoffizier, der seinerseits Alarm auslöste. Es kam zu einem Skandal. In Pouxeux wurden die Bewacher abgelöst und die Mißstände abgestellt. Korrekt wie die Yankees sein können, kamen die Mißhandelten wieder in US-Gewahrsam, als Entschädigung gewissermaßen in eine Kriegsgefangenschaft de luxe. Schätzungsweise hielt Frankreich noch eine Million deutscher PoWs fest. Auch wenn es den meisten von ihnen weit schlechter ging als Bongo und mir – die wir als Fahrer eigentlich unbezahlte Zivilangestellte der US Army waren –, hatten auch sie die schlimmste Zeit überstanden.
    Obwohl wir Offiziere nicht zu arbeiten brauchten, meldeten sich Bongo und ich freiwillig. Bei Kriegsende waren fünf Millionen amerikanische Soldaten in Europa gewesen, doch der größte Teil war bereits wieder nach Übersee zurückverfrachtet worden, und so gab es gewaltige Lücken bei der Logistik, dem militärischen Nachschub. Die Amis versuchten es mit französischen Zivilarbeitern; diese klauten wie die Raben. Da probierten sie es mit deutschen Kriegsgefangenen, die

Weitere Kostenlose Bücher