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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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dem Meister an der Esse gestanden habe.
    Ein altkluges Mädchen, das aus leeren Augen hinauf in den bleiernen Himmel starrte, brauchte nicht länger auf die Sauberkeit seines Heims zu achten.
    Nie mehr. Ich werde mich nie mehr mit Jasch darüber streiten, wer von uns beiden nach dem Meister Anrecht auf die zweitsaftigste Bratenscheibe hat.
    Ein aufgeschlitzter Bauch, aus dem das Gedärm quoll, war ohnehin nicht zu stopfen.
    Nie mehr. Ich werde nie mehr Lodajas sanfte Stimme hören, mit der sie mich tröstet, wenn der Meister mich einen unverbesserlichen Nichtsnutz genannt hat.
    Seine Ziehmutter war für immer verstummt.
    Den Rücken gegen die geborstene Tür des Haupthauses gelehnt, saß Dalarr bei seiner toten Frau. Er hatte seinen Umhang über sie gebreitet, als könnte sie die Wärme, die er ihr schenkte, noch spüren. Lodajas Kopf ruhte in seinem Schoß, und der Schmied streichelte ihr silbernes Haar.
    Seine behutsamen Bewegungen hatten nichts von der urtümlichen Kraft, mit der er sein Tagwerk ausübte und mit der er bei seinen Gängen in die Berge die steilen Hänge bezwang.
    Er sieht so schrecklich alt und schwach aus, dachte Namakan. Seine Schultern sind irgendwie schmaler als sonst, und sein Bart ist grau wie kalte Asche, und die Falten in seinem Gesicht … Bei den Untrennbaren! Sie sind tiefer als die Schluchten, in denen wir nach Skaldat schürfen. Wird ihn das alles umbringen? Wird er vor Kummer und Gram einfach sterben? Bitte nicht … bitte nicht.
    Namakan kämpfte sich auf die Beine und wankte auf seinen Meister zu. Er bildete sich ein, sein plumper, rundlicher Leib, in dem er sich so häufig tapsig und ungeschickt fühlte, hätte durch die Trauer an Gewicht gewonnen, so schwer fiel ihm jeder einzelne Schritt. Als er Dalarr ansprach, klang ihm seine Stimme dumpf und hohl in den Ohren. »Wer hat das getan?«
    Dalarrs kantige Züge zeigten keine Regung.
    Lodajas bleiches Gesicht rief Namakan eine der schaurigen Geschichten aus der Welt jenseits der Berge in Erinnerung, die sie so oft erzählt hatte. »Waren es die Toten, die die Plage erweckt hat?«
    »Nein.« Dalarr schlug den Umhang von Lodajas Leichnam zurück. »Die Toten kennen mehr Ehre als diese Schweine.«
    Lodajas Kleid war zerrissen.
    Namakan brauchte eine Weile, um sich zu überwinden, den entblößten Leib näher zu mustern. Zwischen den Brüsten klaffte eine fingerlange Wunde, wie ein Mund, der einen Schwall Blut erbrochen hatte. Eine Vielzahl kleinerer Schnitte zog sich in einer schmaler werdenden Spur von den Schlüsselbeinen bis zur Scham. Wie wenn sie einer reißenden Bestie zwischen die Klauen geraten wäre. O Lodaja …
    Dann begriff er endlich, dass die Wunden alles andere als zufällig entstanden waren. Jemand hatte Lodajas Fleisch missbraucht, um darauf ein Zeichen zu hinterlassen.
    Was er da erblickte, war der Schädel eines Drachen: Die Schnitte am oberen Teil des Rumpfs markierten die ausladenden Hörner, auf den Brüsten standen zwei schräge Kerben für die Augen des Untiers, und der Stich, der Lodaja getötet hatte, war das Maul, aus dem die Bestie blutiges Feuer spie.
    »Was ist das?«, fragte Namakan.
    »Das Wappen eines feigen Mörders!« Dalarr ballte die Fäuste. »Eines Narren, der von seiner Gier nach Macht und Unsterblichkeit geblendet ist! Der sich in den Mantel des Edelmuts hüllte, um erst einen leichtgläubigen Träumer und schließlich ein ganzes Reich zu täuschen!« Dalarr bedeckte Lodajas Blöße. »Ich habe geglaubt, hier auf den Immergrünen Almen wären wir sicher vor seinen Häschern. Ich habe geglaubt, er würde uns vergessen.« Er lachte bitter auf. »Ich hätte wissen müssen, dass Arvid hus Drake keine Kränkung dulden kann. Am Ende bin ich der Narr, nicht er.« Er küsste Lodajas Stirn und schob ihr Haupt vorsichtig von seinem Schoß, um sich danach zu erheben. »Und für meine Torheit haben meine Frau und meine Mündel den Preis bezahlt.«
    »Aber du konntest doch nicht ahnen, dass diese Leute kommen, bevor wir in die Berge gegangen sind.« Namakan wollte den Schmerz seines Meisters lindern. Er fasste an den Knauf des Jagddolchs an seinem Gürtel, weil er das dringende Bedürfnis hatte, seine Finger um etwas Hartes, Festes zu schließen. »Wenn wir hier gewesen wären …«
    »Wenn wir hier gewesen wären, wärst du jetzt tot, du Wurm«, fuhr ihn Dalarr an, das Gesicht zu einer Fratze der Wut verzerrt. »Wer denkst du, dass du bist, um etwas gegen Männer auszurichten, an deren Händen mehr Blut

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