Hilfe, ich habe Urlaub
Papua-Neuguinea
Die ersten Schüsse fielen nachts um zwei, dicht gefolgt vom Klirren der Flaschen, die gegen unser Hotel geworfen wurden, und den Schreien aus dem Zimmer nebenan. Neben mir im Bett lag der Irre, der mich hierhergebracht hatte, um einmal Abstand von den Kindern, den Telefonanrufen und der täglichen Kocherei zu bekommen.
Es war die dritte Woche unseres Urlaubs in Papua-Neuguinea, und mein Mann und ich
steckten mitten in einem Stammeskrieg in einem kleinen Ort namens Kundiawa.
In der Feuerpause starrten wir beide in dem dunklen Zimmer an die Decke und wagten nicht, uns zu bewegen.
»Du kannst mich für verrückt halten«, sagte ich, »aber ich glaube, die Leute hier haben die Sache mit dem Fremdenverkehr noch nicht ganz im Griff.«
Mein Ehemann atmete tief durch. »Ich habe dir doch schon erklärt, das hat nichts mit uns zu tun. Der Kampf betrifft nur die beiden Stämme.«
»Du hast so eine Art, immer die gute Seite an den Dingen zu sehen«, erwiderte ich matt.
Ein Hund bellte. Die eiligen Schritte und das Geschrei vor unserer Tür wurden rasch leiser.
»Weißt du eigentlich, daß es hier im Hotel kein Wasser gibt?« fragte ich.
»Wie oft soll ich es dir noch sagen«, seufzte er: »Wir sind in einem Land der Dritten Welt.
Hier legt dir niemand jede Nacht ein Stück Schokolade aufs Kopfkissen. Du mußt die urtümliche Eigenart der Gegend zu schätzen wissen.«
»Meinst du, es ist gefährlich, auf dem Fußboden ins Bad zu robben?« fragte ich ein paar Minuten später.
»Ja«, entgegnete er und drehte sich zum Schlafen um.
Ich lag mit offenen Augen da. Was in aller Welt tat ich eigentlich hier? Ich, eine Frau, die jede Woche ihre Tennisschuhe abschrubbte, eine Frau, die fast in Ohnmacht fiel, wenn sie in ihrem Salat eine Kakerlake fand oder im Nationalpark die Toilette mit einer auf dem Spülkasten zusammengerollten Schlange teilen mußte. Eine Frau, die sich ein gutes Kleid mitgebracht hatte, um darin sonntags in die Kirche zu gehen, und dann feststellen mußte, daß die Einheimischen hier oben ohne zur Messe gingen. Gott weiß, wie ich es hasse, falsch angezogen zu sein!
In der Theorie hören sich Ferien immer so großartig an. Sie sollen gut für die Ehe sein, gut, um wieder zu sich selbst zu finden, gut, um ein besseres Verständnis für die Welt zu bekommen, das Beste für eine schöne Haut - lauter so Sachen.
In Wahrheit sind Ferien harte Arbeit. Etwa wie Bergsteigen mit Durchfall. Wir bezahlen eine Menge Geld, um auf Flughäfen zu übernachten und Koffer rumzuschleppen, die doppelt soviel wiegen wie wir selbst, Sachen zu essen, deren einziger Vorzug darin besteht, daß wir sie nicht kennen, und unser Leben wildfremden Menschen anzuvertrauen.
Zugegeben, Papua-Neuguinea ist die einzigartigste Kultur, die ich in den zwanzig Jahren kennengelernt habe, seit ich in Urlaub fahre. Ich weiß das von meinem Mann.
Er kommt mir manchmal vor wie der wandelnde Reiseführer - so eine Art Sprechautomat.
Kennen Sie diese Führungen, bei denen die Leute sich einen Kassettenrecorder um den Hals hängen und auf Knopfdruck Näheres über das zu hören kriegen, was sie gerade sehen? Wenn Sie mit meinem Mann auf Reisen sind, brauchen Sie so ein Ding gar nicht. Drücken Sie bloß auf seinen Nabel, und Sie hören: »Am 27. Mai 1930 wurde Papua-Neuguinea,
einer der letzten noch unberührten Flecken auf dieser Erde, von der westlichen Zivilisation entdeckt.« Mein Mann wird Ihnen auch erzählen, es sei wichtig, dieses letzte
Menschheitsparadies noch zu sehen, bevor unsere westliche Zivilisation es im Namen des Fortschritts gnadenlos überrollt.
Als er diesen flammenden Monolog hielt, standen wir ge rade auf einer Wiese mitten in Goroka, wo Eingeborene ihre Schweine an der Leine führten. Ich hatte irgendwie nicht das Gefühl, dies alles sei unmittelbar bedroht.
Die einheimischen Verkehrsregeln richten sich nicht gerade nach den Regeln unserer
Straßenverkehrsordnung.
Wenn Sie in Papua-Neuguinea in einen Unfall verwickelt werden, halten Sie bloß nicht an.
Fahren Sie weiter bis zur nächsten Polizeistation. Es gibt hier ein Gesetz der Vergeltung, bei dem der Geschädigte wahllos den nächsten Menschen umbringt, der Ihre Hautfarbe hat. Wenn Sie ein Schwein anfahren, machen Sie bloß keinen Versuch, wegen Schadenersatz anzuhalten, sondern gehen Sie direkt zur Polizei.
»Und denk immer daran«, hatte mein Mann mir eingeschärft, »wenn du Leute siehst, die mit Äxten, Messern oder Pfeil und Bogen
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