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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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über den Himmel. »Meine Mutter hatte es, und ihre Mutter vor ihr. Wenn es ein Mädchen wird, wird wohl nie jemand daran zweifeln, dass sie meine Tochter ist.«
    Wakijela drückte Tamni noch einmal fest an sich. »Wenn es ein Mädchen ist, kann es mit Halhata eigene schöne Kinder machen, sobald sie groß genug dafür sind.«
    Tamni lachte. »Zähl die Sommer erst, wenn sie vorüber sind, du ungeduldige Mücke. Wo hast du ihn denn gelassen?«
    »Halhata?« Wakijela wedelte mit der Hand. »Im Zelt für die Kleinen. Er muss sich daran gewöhnen, dass ich nicht immer da bin. Es wird Zeit, dass er mir nicht mehr so oft hier hängt.« Sie klopfte sich auf die linke Brust. »Sein Mund wird mir zu heiß.« Auffordernd schaute sie Tamni an. »Hast du schon einen Namen? Soll ich dir einen vorschlagen?«
    Tamni wiegte vorsichtig den Kopf hin und her. »Nur wenn mein Kind nicht auch so heißen muss wie deins. Wie ein Vogel, der alles stiehlt, was glitzert.«
    Wakijela schnaubte in gespielter Empörung und setzte zu einer Erwiderung an. Lautes Rufen aus der Mitte des Lagers hinderte sie daran.
    Tamni stand auf. »Was ist da los?«
    Die Aufregung wurde ganz offenkundig von den Harten Menschen ausgelöst, und einen Moment packte Tamni die Furcht, die Verheißung auf Frieden zwischen den Völkern könnte nur eine Illusion gewesen sein. Zwei der Harten Menschen waren damit beschäftigt, lange Stangen in den Boden zu rammen, die verdächtig nach Lanzen aussahen. Der Mann, der für den Fremden in Rot sprach, hob beschwichtigend die Arme, sagte immer wieder laut: »Beruhigt euch! Beruhigt euch!«, und nach und nach verstummten die Rufe.
    Tamni kniff die Augen zusammen. Wenn die Stangen tatsächlich Lanzen waren, mussten es die merkwürdigsten Lanzen sein, die sie je gesehen hatte. Sie liefen nicht spitz zu, vielmehr waren an ihrem oberen Drittel Röhren befestigt, die von ihrer Form an runde Köcher erinnerten. Nur dass oben nicht die Fiederung von Pfeilen hervorschaute. Stattdessen hing von ihrem unteren Ende ein dicker Faden herab.
    Der Mensch aus der Steppe, der bei den Harten Menschen scheinbar eine neue Sippe gefunden hatte, führte die Hände seitlich zum Mund, damit seine Stimme weiter trug. »Der Lexis des Dominex möchte euch ein Wunder offenbaren. Feuer, das am Himmel tanzt.«
    Die Kinder der Weite bedachten diese Ankündigung teils mit verblüfftem Schweigen, teils mit ungläubigem Lachen, und viele richteten ihre Blicke bereits in den Nachthimmel und sahen doch nichts anderes als die Sterne: die glitzernden Tränen, die die traurigen Geister über alles Leid in der Welt vergossen.
    Wakijela nahm Tamni am Arm. »Komm, steh auf. Das schauen wir uns an.«
    Sie bahnten sich ihren Weg näher an das große Feuer. Die beiden Harten Menschen, die die Stangen aufgestellt hatten, hielten glimmende Scheite an die herabbaumelnden Fäden. Funken sprühten auf, und sofort wichen die umstehenden Kinder der Weite einige Schritte zurück. Pfeifend und kreischend schossen die Stangen auf gleißenden Feuerschweifen in den Himmel.
    Tamni blieb wie angewurzelt stehen und packte Wakijelas Hand. Die kalten Finger ihrer Freundin bebten.
    Dann vollzog sich das Wunder, das der Fremde in Rot versprochen hatte: Donnerschläge hallten durch die Nacht, und dann zerbarst die sternenübersäte Schwärze zu einer atemberaubenden Farbenpracht. Rote und blaue Wirbel fuhren umeinander, gelbe Lichtpunkte zerstoben in schillerndem Grün, Bälle aus Purpur blähten sich auf und platzten in silbernen und goldenen Fahnen auseinander.
    In Tamnis Brust rangen Ehrfurcht und Entrückung miteinander, und mit jedem neuen Donnerschlag und jedem neuen Blitz wurden ihrem Mund Laute des Staunens und der Bewunderung entlockt. Sie stützte Wakijela, die ins Wanken geraten war, und sie spürte, wie ihr selbst die Knie weich wurden. Es war wahr. Feuer tanzte am Himmel, ganz so, als loderte es voller Freude darüber auf, dass die Welt durch den Friedensschluss zwischen den Harten Menschen und den Kindern der Weite zu einem besseren Ort geworden war. Ein Ort, in dem all die Schlachten und all das Morden nur noch ein böser Traum waren.
    Noch lange, nachdem das Feuer am Himmel erloschen war, starrten viele weiter mit offenen Mündern nach oben. Nur vereinzelt erklangen Zungenschnalzer und andere Bekundungen der Freude. Als die ersten aus der Sippe sich daranmachen wollten, den Fremden für ihr größtes Geschenk zu danken, brach Unruhe aus. Die Harten Menschen waren nirgends mehr

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