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Hell's Angels (German Edition)

Hell's Angels (German Edition)

Titel: Hell's Angels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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erlitten, und es dauerte Monate, bis sie ganz wiederhergestellt war. Daraufhin beschloss ich, meinen Fahrstil zu ändern: Ich würde es in Kurven sachte angehen lassen, immer einen Helm tragen und versuchen, mich weitgehend an Tempolimits zu halten – die Versicherung hatte man mir bereits gekündigt, und mein Führerschein hing an einem seidenen Faden.
    Deshalb geschah es ausschließlich nachts, dass ich, wie ein Werwolf, mit der Maschine zu einer gepflegten Fahrt die Küste hinab aufbrach. Ich fuhr zunächst in den Golden Gate Park, wollte nur ein paar lange Kurven fahren, um einen klaren Kopf zu bekommen, doch Minuten später war ich schon draußen am Strand, hatte den Motorenlärm in den Ohren, die Brandung donnerte an die Kaimauer, und vor mir erstreckte sich ein schöner, freier Straßenabschnitt ganz bis hinab nach Santa Cruz ... nicht mal eine Tankstelle auf den ganzen siebzig Meilen; und das einzige nennenswerte Licht auf der ganzen Strecke kam von einem auch nachts geöffneten Diner unten am Rockaway Beach.
    In diesen Nächten trug ich keinen Helm, hielt mich an kein Tempolimit und ließ es in den Kurven auch nicht sachte angehen. Der kurze Moment der Freiheit im Park glich dem einen Unheil bringenden Drink, der einen trockenen Alkoholiker wieder zum Säufer werden lässt. Ich verließ den Park in der Nähe des Fußballfelds, hielt kurz an einem Stoppschild und überlegte, ob ich einen der Leute kannte, die dort an der nächtlichen Bumsmeile ihren Wagen abgestellt hatten.
    Dann in den ersten Gang, die Autos aus dem Sinn und dem Affen Zucker geben ... 55 km/h, dann 70 ... und dann in den zweiten und mit voll Stoff über die Ampel am Lincoln Way, ganz egal, ob grün oder rot, höchstens darauf achtend, ob da womöglich noch ein anderer verrückter Werwolf – zu langsam – zu einer Fahrt aufbrach. Aber von denen gibt es nicht viele, und bei drei Fahrspuren in einer lang gestreckten Kurve hat ein schnell fahrendes Motorrad auch eine Menge Platz, allem Möglichem auszuweichen. Auf in den dritten, den boomer gear , und jetzt mit 120 km/h, und der Wind dröhnt in den Ohren, und auf den Augäpfeln lastet ein Druck, als würde man von einem hohen Brett mit einem Kopfsprung ins Wasser tauchen.
    Vorgebeugt, ganz hinten auf dem Sitz und den Lenker fest im Griff, denn das Bike fängt jetzt an, im Wind zu rütteln und zu schwanken. Die Rücklichter fern vor einem kommen schnell näher, und plötzlich – wwwuppp – zieht man daran vorbei und legt sich in der Nähe des Zoos in eine Kurve, wo die Straße einen Schlenker hin zum Ozean macht.
    Die Dünen dort sind flacher, und an windigen Tagen weht Sand auf den Highway und sammelt sich in dicken Wehen, die ebenso tückisch sind wie ausgelaufenes Öl. Augenblicklich verliert man die Kontrolle, stürzt, schlittert, überschlägt sich, und am nächsten Tag steht dann vielleicht eine kurze Meldung in der Zeitung: »Ein bisher nicht identifizierter Motorradfahrer kam gestern Nacht ums Leben, als er auf dem Highway 1 aus einer Kurve getragen wurde.«
    So kann es gehen, aber heute liegt da kein Sand, also schaltest du hoch in den vierten, und jetzt hörst du außer dem Wind gar nichts mehr. Gib jetzt alles, bis zum Anschlag,
greif mit einer Hand nach vorn und zieh den Scheinwerferstrahl etwas höher, die Tachonadel zeigt jetzt 160 km/h, und deine vom Fahrtwind brennenden Augen können nur noch mit Mühe an der Mittellinie entlangsehen und versuchen, deinen Reflexen Spielraum zu lassen.
    Bei Vollgas bleibt dafür aber kaum Spielraum, jeder Fehler wäre jetzt fatal. Man muss alles richtig machen, und dann beginnt diese eigenartige Musik, wenn man so sehr auf sein Glück vertraut, dass sich die Furcht in ein Hochgefühl verwandelt, das einem in den Armen vibriert. Bei 160 Sachen kann man kaum noch etwas sehen; die Tränen werden so schnell weggeweht, dass sie verdunsten, ehe sie die Augen erreichen. Man hört nur noch den Wind und ein dumpfes Dröhnen, das aus den Auspuffrohren dringt. Du behältst die weiße Linie im Blick, gibst dir Mühe, ihr zu folgen, donnerst durch eine Rechtskurve, donnerst durch eine Linkskurve und dann den langen Hang hinab nach Pacifica. Dann nimmst du etwas Gas weg, hältst Ausschau nach Bullen, aber nur bis zum nächsten dunklen Abschnitt, und dann wieder ein paar Sekunden auf Messers Schneide ... Am Abgrund ... Es lässt sich nicht erklären, denn die Einzigen die es könnten sind die, die darüber hinweggejagt sind. Die anderen – die

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