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Hell's Angels (German Edition)

Hell's Angels (German Edition)

Titel: Hell's Angels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Nicht einmal Senator Murphy hätte das mit einem gefährlichen Aufmarsch verwechseln können. Es waren zwar die
altbekannten bärtigen Gesichter mit den altbekannten Ohrringen, Abzeichen, Hakenkreuzen und grinsenden Totenschädeln, die im Fahrtwind flatterten – aber diesmal kamen sie ohne Partyklamotten und ohne Show für die Spießer. Die Outlaws spielten durchaus noch ihre Rolle, aber es fehlte der Humor. Unterwegs gab es nur einmal Ärger, als der Zug halten musste, nachdem ein Tankstellenbesitzer Anzeige erstattet hatte, weil jemand beim letzten Tankstopp vierzehn Flaschen Motoröl gestohlen hatte. Barger sammelte schnell Geld ein, um dem Mann den Schaden zu ersetzen, und murmelte dabei, dass derjenige, der das Öl hatte mitgehen lassen, damit rechnen könne, mit Ketten ausgepeitscht zu werden. Die Angels versicherten einander, dass dies irgendeine Rotznase aus einem der Autos am Ende der Karawane gewesen sein musste, irgendein Arschloch ohne jedwede Klasse.
    In Sacramento selbst gab es keinerlei Anzeichen für irgendwelche Polizeischikanen. Hunderte Schaulustige säumten die Straße von der Leichenhalle zum Friedhof. In der Kapelle warteten eine Hand voll Jugendfreunde und Verwandte, ein von der Mutter engagierter Geistlicher und drei nervöse Angestellte bei dem Leichnam. Sie wussten, wer da kam: Mother Miles’ »Leute«, hunderte von Gangstern, wilden Schlägern und bizarr aussehender Mädels, die enge Jeans, Halstücher und bis zur Taille reichende, platinblonde Perücken trugen. Miles’ Mutter, eine massige Frau mittleren Alters, die ein schwarzes Kostüm trug, weinte ungehemmt in einer der vorderen Bänke mit Blick auf den offenen Sarg.
    Um halb zwei traf die Karawane ein. Das Dröhnen der Motoren ließ in der Leichenhalle die Fensterscheiben klirren. Die Polizei bemühte sich, den Verkehr nicht ins Stocken
geraten zu lassen, während die Fernsehkameras Barger und seinen gut hundert Gefolgsleuten zum Eingang der Kapelle folgten. Viele blieben während des Gottesdienstes draußen. Sie standen ruhig in Grüppchen da, lehnten sich an ihre Maschinen und vertrieben sich mit träger Plauderei die Zeit. Über Miles wurde kaum gesprochen. In einer Gruppe reichte man eine Flasche Whiskey herum. Einige sprachen mit Schaulustigen, versuchten ihnen zu erklären, was da geschah. »Ja, der Typ war einer unserer Anführer«, sagte ein Angel zu einem älteren Mann, der eine Baseballkappe trug. »Er war ein feiner Kerl. Irgendein Arschloch hat ein Stoppschild nicht beachtet und ihn totgefahren. Und jetzt sind wir hier, um ihn in seiner Kutte zu beerdigen.«
    In der mit Kiefernholz getäfelten Kapelle erzählte der Geistliche seiner ungewöhnlichen Trauergemeinde, der Tod sei »der Sünde Sold«. Er sah aus wie ein Apotheker von Norman Rockwell, und die ganze Szene widerte ihn offensichtlich an. Nicht alle Bänke waren besetzt, aber hinten im Saal standen die Leute bis fast zur Tür. Der Geistliche sprach über »Sünde« und »Reue« und hielt gelegentlich inne, als erwartete er Widerspruch aus der Zuhörerschaft. »Es ist nicht meine Aufgabe, über irgendjemanden zu richten«, fuhr er fort. »Und es ist auch nicht meine Aufgabe, irgendjemanden zu rühmen. Es ist aber durchaus meine Aufgabe, euch zu warnen, dass es auch euch so ergehen wird! Ich weiß nicht, welcher Philosophie hinsichtlich des Todes einige von euch anhängen, aber ich weiß, dass uns die Heilige Schrift sagt, dass der Herr keine Freude am Tod der Gottlosen hat. Jesus starb nicht um eines Tieres, sondern um eines Menschen willen. Was ich über Jim sage, wird nichts ändern, aber ich kann euch das Evangelium predigen, und ich habe die
Verantwortung, euch zu mahnen, dass ihr alle eines Tages vor Gott Rechenschaft ablegen müsst! «
    Die Leute schwitzten und rutschten auf den Sitzen hin und her. In der Kapelle war es so heiß, dass es einem vorkam, als warte der Teufel in einem Nebenraum nur darauf, den Gottlosen für sich in Anspruch zu nehmen, sobald die Predigt vorüber war.
    »Wie viele von euch«, fragte der Geistliche, »wie viele von euch haben sich auf dem Weg hierher gefragt: › Wer ist der Nächste?‹ «
    An diesem Punkt standen etliche Angels auf und gingen hinaus, leise einen Lebensstil verfluchend, den sie vor langer Zeit hinter sich gelassen hatten. Der Geistliche ignorierte diese leisen Anzeichen von Protest und ließ eine Geschichte über einen philippinischen Gefängniswärter vom Stapel. »Ach du große Scheiße!«, grummelte Tiny. Er

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