Hengstgeflüster (German Edition)
Hammer, Baby“, sagte Sky unter rasselndem Gekeuche nach dem vollzogenen Geschlechtsakt, bei dem er Speedy Gonzales wahrhaft Konkurrenz gemacht hatte. Danach fasste er sie niemals wieder an.
Natürlich gab Bell sich selbst die Schuld daran. Sie wusste, dass sie beim Liebesspiel nichts Großartiges empfinden würde. Keine überwältigenden Gefühle, kein rauschendes Blut in den Adern, keine hitzigen Körper, die sich in vollendeter Harmonie ineinander bewegten. Das Märchen vom Prinzen, von dem einen Menschen auf der Welt, der nur seinem Gegenstück seelisch und körperlich die absolute Erfüllung bringen konnte, all das und noch viel mehr würde Bell nie erfahren.
Oft tagelang konnte sie danach nicht einmal ihr Spiegelbild betrachten, so sehr hasste sie sich für ihre selbst auferlegte Gefühlsarmut. Alles, das über rein oberflächliche Empfindungen hinausging, hatte Bell in ihrer Kindheit zurückgelassen.
Aber vielleicht hätte sie sich noch mehr Mühe geben können? Eventuell hätte sie ja so tun können, als ob…! Damit wäre sie sicher nur eine Frau unter Millionen anderen gewesen, die sich in trauter Zweisamkeit zu Oskarpreisträgerinnen steigerten und sich wegen einer eher unbedeutenden Sache die Seelen aus dem Leib schrieen. Nun ja, Life is a game. So war es wohl. So und nicht anders. Lügen und betrügen. Verstecken und täuschen. Täuschen und getäuscht werden.
Es war eben alles relativ. That´s Life, Baby!
Ach, wie oft hatte sie sich schon selber ermahnt, nicht zu viel von ihrem naturgegebenen Vertrauen leichtsinnig zu verschenken. Doch lechzte sie so sehr nach Gesellschaft, dass sie meist zu vertrauensselig war, was ihre Intuition im Bezug auf Menschen betraf. Zumindest mit materiellen Dingen ging sie häufig viel zu leichtsinnig um. Ich bin wirklich hoffnungslos verkorkst, dachte sie.
Oh weh, es war so weit. Nun begann die wirklich destruktive Phase ihres Selbstmitleides. Ihre Stimmung stürzte rasend schnell ins Bodenlose. Sie kauerte auf dem erbärmlichen Stuhl und bemerkte, dass es bereits dunkel wurde. Sie rieb sich die roten, mickrig gefederten Hühnchenbeine und klackte mit den überaus lebensechten Plastikkrallen auf dem nackten Betonboden.
Klllark.
Klllark. Klllarrkk.
Wie viele Stunden hockte sie bereits hier herum, grübelte sie. Bell hatte keinerlei Zeitgefühl mehr. Sie zog sich den Hühnerschädel über ihr Haupt. Ihre Haare standen verworren und verschwitzt vom Kopf ab. Sie starrte aus dem großen Bodenfenster und betrachtete ihr unscharfes Spiegelbild.
Große schwarze Augen starrten aus der Finsternis zurück und wirkten beinahe wie das heimliche Abbild ihrer Seele. Die sonst so keck geschwungenen, vollen Lippen verzogen sich zu dem traurigen Portrait eines Clowns. Ihre Haut wirkte fast durchscheinend weiß, obwohl sie das ganze Jahr über mit einer gesunden bronzenen Hautfarbe gesegnet war, dem spanischen Erbe ihres Vaters Eduardo Torres. Ihr sonst so prägnantes, ausdrucksvolles Gesicht wirkte eckig und schien nur aus Knochen und Haut zu bestehen. Das mittelbraune Haar, das gewöhnlich mit sonnigen Strähnen durchzogen war, wirkte im Spiegelbild wie ihr zweites, dunkleres Ich. Die schwarz-weiße Illusion, die ihr entgegenstarrte, erinnerte an eine kleine, verschreckte Elfengestalt.
Gedankenverloren fixierte die richtige Bell ihre Doppelgängerin. Eine Gestalt, halb Mensch, halb Hühnchen. Wäre die Situation nicht von solcher Ernsthaftigkeit gewesen, hätte sie über ihr Spiegelbild gelacht.
Nun behielten ihre Freunde, die über den ganzen Globus verstreut waren, doch noch Recht, wenn sie Bell beharrlich mit der Elfe Tinkerbell aus dem Märchen Peter Pan verglichen, dachte sie. Ihre ganzen Freunde … sie alle waren real. Dennoch fühlte Bell sich aufgrund der großen Entfernung zu ihnen, die nicht nur geografisch bedingt war, sondern auch seelischer Natur, ständig einsam.
Was für ein erbärmliches Leben sie doch führte! Jawohl, erbärmlich und bedauernswert. Bell kannte so viele Menschen, war immerzu kommunikativ und schien gut gelaunt. Zumindest nach außen hin. Innerlich war sie ein vertrocknetes Pfläumchen. Täuschen und getäuscht werden!
Mit einem lauten Stöhnen erhob sie ihre verspannten Glieder aus dem Stuhl und schaltete ihren Laptop ein, der letzte Zeuge ihres entschwundenen Daseins. Der einzige sichere Halt, von dem ihr momentanes Überleben abhing.
Das Display leuchtete grell in der nun beunruhigenden Dunkelheit des fremden Lofts auf und sie tippte die
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