Hennessy 02 - Rätselhafte Umarmung
Hennessy. Ich weiß gar nicht, warum ich Sie noch beschäftige«, schimpfte Addie und scheuchte ihn weg. Aber ihre Augen leuchteten wie nur selten, und auf ihren Wangen lag ein Hauch von Rosa, der nicht da gewesen war, als sie nach dem Vorfall im Park nach Hause zurückgekehrt waren.
Wie ihn Rachel um sein lockeres Verhältnis zu ihrer Mutter beneidete! Bei ihm war nicht jedes Wort von einer Vergangenheit voller Schmerzen und Missverständnissen belastet. Ihn hemmte keine Zukunft voller Kummer und Opfer. Er konnte gehen, wann immer es ihm gefiel, und niemand würde ihm einen Vorwurf daraus machen. Er brauchte sich nicht mit Problemen wie dem Verkauf von Drake House herumzuschlagen. Bryan brauchte bloß Münzen aus fremder Leute Ohren zu zaubern.
Sie setzten sich zu einem Abendessen, das aus einem reichhaltigen, leckeren Fleischeintopf und noch ofenwarmen Brötchen bestand. Es war nicht gerade ein 5-Gänge-Diner, wie es dem Porzellan und Silber auf dem polierten Walnu ss tisch angemessen gewesen wäre, aber es war eine herzhafte und gesunde Mahlzeit und konnte mit der Gabel und ohne Messer gegessen werden - ein wichtiger Punkt für Addie, die allmählich die Fähigkeit verlor, einen kompletten Bestecksatz zu benutzen.
»Hennessy ist ein ordentlicher Koch«, bemerkte Addie, während sie ein Brötchen in die Fleischsuppe auf ihrem Teller tunkte und vornehm daran knabberte. »Er ist auch ein unverschämter Schlingel, weil er darauf besteht, daß er mit uns am Tisch isst , aber ich gestatte es ihm trotzdem.«
Rachel legte die Stirn in Falten. Bryan war kein Butler, und sie sah nicht ein, warum er sich wie einer behandeln lassen sollte. Aber als sie den Mund aufmachte, um ihre Mutter aufzuklären, fing Bryan ihren Blick auf und schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Das ist sehr großherzig von Ihnen, Addie«, sagte er. »Nicht jeder ist so großzügig und nachsichtig wie Sie.«
Addie warf ihm einen scharfen Blick zu. »Vergessen Sie das bloß nicht, junger Mann.« Sie schüttete den Rest ihres Gin Tonics hinunter und schob ihm das Glas zum Nachfüllen hin. Dann reckte sie die Nase in die Luft und sah Rachel missbilligend an. »Manche Menschen wissen Großzügigkeit und Opfer nicht zu schätzen. Man sieht ja, was aus denen wird.«
Rachel zermahlte ihre Antwort zwischen den Zähnen und würgte sie mit einem Stück Kartoffel hinunter.
»Habe ich Ihnen schon gesagt, wie atemberaubend Sie heute abend aussehen, Addie?« meinte Bryan leutselig, als er ihr das Glas zurückgab, das er mit einem Mineralwasser und einer Limonen-scheibe aufgefüllt hatte. »Ich kann mir keine andere Frau vorstellen, der diese Kombination so gut stehen würde wie Ihnen ... außer Jayne vielleicht«, fügte er dann hinzu und grinste seine Freundin quer über den Tisch an, die ihm die Zunge herausstreckte.
Addie strahlte und schüttelte die Straußenfedern.
»Und hat Rachel nicht auch ein bezauberndes Kleid gefunden?« ergänzte Bryan dann, ohne zu merken, wie weich und tief seine Stimme plötzlich klang. Genausowenig bemerkte er das Verlangen, das aus seinen Augen leuchtete.
Rachel saß ihm gegenüber, zwischen Addie, die am Kopf des Tisches thronte, und Jayne. Ein kleines, dankbares Lächeln zog an ihren Mundwinkeln.
Addie musterte ihre Tochter ungerührt. »Ja, es ist wirklich hübsch. Ausnahmsweise siehst du mal nicht aus wie eine billige Zigeunerin.«
Das Lächeln erlosch. Rachel schloss die Augen und zählte bis zehn.
»Rachel«, sagte Jayne fröhlich, während sie um das Fleisch in ihrem Eintopf herum aß, »erzählen Sie uns doch etwas von Ihrer Karriere als Sängerin. Mein Gott, das muss doch aufregend sein! Ich könnte eine Melodie nicht halten, selbst wenn sie Henkel hätte.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, antwortete Rachel und zuckte die Schultern. Sie hielt den Kopf gesenkt und den Blick fest auf den Teller gerichtet, während sie versuchte, das Thema so schnell wie möglich abzuhaken, ohne dabei unhöflich zu wirken. »Wir haben in einer Menge Clubs gespielt und sind in ein paar Fernsehsendungen über Volksmusik aufgetreten.«
»Wie wunderbar«, lächelte Jayne. »Ich liebe Volksmusik, sie ist so spirituell. So anschaulich und ehrlich in ihren Bildern. Finden Sie nicht auch, Addie?«
Addie kniff die Lippen zu einer dünnen weißen Linie zusammen. »Unsinn. Die einzig wahre Form von Volksmusik ist die Oper.«
Ohne sich auch nur für einen Sekundenbruchteil aus dem Konzept bringen zu lassen, wandte sich Jayne
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