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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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Feier gesagt haben.
    Na ja, egal! Ich kann mir vorstellen, dass eine Adventsfeier
am Gutshaus sehr stimmungsvoll ist.
    Nur eine
Frage brennt noch auf meiner Seele. Ich wage kaum, sie zu stellen. »Meine Freundin,
also Vicki, hat … äh«, beginne ich stotternd. »Sie hat immer erzählt, dass Augusta,
ich meine, dass sie äh, na ja …«
    Die alte
Dame schaut mich fragend an, während sie duftenden Earl Grey in unsere Tassen gießt.
»Nur raus damit, Rosa!«
    »Also, sie
hat gesagt, dass Augusta lebendig begraben wurde und dass …«
    »Von dem
Gerücht habe ich auch gehört«, unterbricht Hildegard und winkt ab. »Zuerst einmal:
Das ist natürlich Blödsinn. Meine Mutter hat mir die Hintergründe dieser Legende
erzählt. Nachdem Augusta verschwunden war, fingen die Leute im Dorf an zu reden.
Sie müssen wissen, dass die junge Frau sehr beliebt gewesen ist. Ihr früher Tod
ging den Leuten nahe und so kam es, dass einige dem unnahbaren Friedrich, der sich
bald als Herrscher über Kletzin aufführte, die Schuld an Augustas Tod gaben. Manche
erzählten, eine weiße Frau würde nachts durch die Gänge des Schlosses wandeln und
laut weinen.«
    »Ich habe
selbst immer gedacht, Friedrich hätte etwas mit Augustas Tod zu tun.«
    »Er blieb
jedenfalls nicht lange in Kletzin. Das Haus stand daraufhin leer, doch die Gerüchte
um die Umstände von Augustas Tod hielten sich hartnäckig. Aber, Rosa, Sie wissen
ja nun, was davon zu halten ist.«
    Ja, das
weiß ich und ich bin unglaublich erleichtert. Zum Glück ist alles nur halb so schlimm,
wie es ausgesehen hat. Ich fühle mich wie ein Detektiv, der einen kniffligen Fall
gelöst hat. Stolz und froh, aber auch ein bisschen leer. Jetzt muss ich mich wohl
oder übel wieder mehr mit meinem eigenen Leben befassen.
    »Wir sollten
rübergehen«, sagt Hildegard.
    Als ich
aus ihrem Küchenfenster blicke, sehe ich ziemlich viele Leute in Richtung Gutshaus
laufen. Alle dick eingemummelt. Manche haben Thermoskannen dabei. Einige Kinder
tragen lange schmale Stöcke mit sich. Bestimmt, um am Lagerfeuer Stockbrote zu backen.
    Langsam
setzt die Dämmerung ein.
    »Vielen
Dank für den Tee und für alles, Frau Schmidt«, sage ich.
    »Nennen
Sie mich Hilde«, antwortet sie lächelnd. »Ich hoffe, Sie kommen mal wieder auf eine
Tasse Tee vorbei.«
    »Sehr gern«,
nicke ich. »Vielleicht wohne ich sogar demnächst hier draußen. Zumindest manchmal.«
Wenn ich so darüber nachdenke, finde ich den Gedanken gar nicht schlecht.
    Gemeinsam
verlassen wir Hildes Haus und schließen uns der Menge an, die in immer größeren
Trauben dem Gutshof zustrebt.
    Am Tor werden
wir von fröhlichen Kindern empfangen, die Gutscheine für Glühwein und Ponyreiten
verteilen. Im Halbdunkel sieht man gar nicht, wie verfallen das alte Haus ist, und
es entsteht die Illusion, wir alle würden hineingehen und im Inneren einen rauschenden
Ball feiern.
    »Rosa«,
höre ich Vicki rufen. »Da bist du ja endlich!«
    Ich stelle
Hilde und meine Freundin einander vor und erwähne nebenbei, dass es sich bei der
alten Dame um eine echte Kennerin von Vickis Familiengeschichte handelt.
    Zum Glück
spottet Vicki nicht gleich wieder drauflos. Im Gegenteil, sie stellt interessiert
mehrere Fragen.
    Ich klopfe
mir innerlich auf die Schulter. Wenn ich mich nicht täusche, wird Vicki die Geschichte
von Augusta, der lebenden Leiche, jedenfalls nicht mehr erzählen.
    »Wir können
anfangen«, sagt Daniel und führt Vicki auf die schöne breite Treppe am Haus, auf
der sich gerade ein paar Herrschaften versammeln. Erst jetzt sehe ich, dass eine
Mikrofon-Anlage dort aufgebaut ist und zwei Scheinwerfer reichlich Licht spenden.
    Der Bürgermeister
von Kletzin verschafft sich Gehör. Es wird ruhig auf dem Gelände, als er mit kurzen
bewegten Worten allen noch einmal die dramatischen Ereignisse der vergangenen Wochen
ins Gedächtnis ruft. »Letztlich haben unsere Umwelt und die Lebensqualität in Kletzin
einen Sieg errungen und wenn man so will auch die Gerechtigkeit, denn jetzt bekommt
die Familie das Gut zurück, der es einst gehört hat.«
    In diesem
Moment stellt sich Vicki an seine Seite. »Ich freue mich, hier zu sein«, sagt sie
und ihre schöne klare Stimme erfüllt die Winterluft mit warmem Klang. »Hätten Sie
mir vor ein paar Wochen gesagt, dass ich demnächst ein zwar bildschönes, aber leider
auch sehr zerfallenes märkisches Gutshaus besitzen würde und dass … dass ich es
lieben und wiederaufbauen würde, dann hätte ich Ihnen kein Wort

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