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Herbstwald

Herbstwald

Titel: Herbstwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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konnte er noch nicht erkennen, warum ausgerechnet er den Fall übernehmen sollte. Normalerweise ermittelte die Kriminalpolizei bei einem Mord. Manchmal übernahm auch das LKA, aber dass ein Kriminalanalyst des Bundeskriminalamtes zu einem einfachen Mordfall hinzugezogen wurde, kam äußerst selten vor. Und selbst wenn das der Fall sein sollte, weil zum Beispiel ein politischer Hintergrund vermutet wurde, konnte den Fall jeder seiner Kollegen übernehmen.
    Wittkampf räusperte sich und überlagerte damit für einen Moment das Knacken der Leitung. Der Handyempfang in Grignan war schlecht. Davídsson musste sich anstrengen, seinen Vorgesetzten zu verstehen.
    »Die Kriminalpolizeiinspektion Augsburg hat Sie persönlich angefordert. Es kommt von ganz oben und ist die gesamte Hühnerleiter rauf und runter gegangen. Die wollen Sie und Landhäuser«, sagte Wittkampf schließlich nach einer kurzen Pause.
    »Zwei Kriminalanalysten für einen simplen Mordfall?«
    Lilian Landhäuser war eine neue Kollegin. Sie war erst seit einem halben Jahr im Team und auf die Aufklärung von Sexualstraftaten spezialisiert. »Warum Landhäuser? Ist das Opfer vergewaltigt worden?«
    »So wie es aussieht, nicht. Sie wollen nicht, dass wir jetzt schon irgendwelche Vermutungen anstellen.«
    »Dann hätten sie vielleicht nicht uns damit beauftragen sollen, ihren Fall zu lösen«, erwiderte Ólafur Davídsson, obwohl er wusste, dass Wittkampf seiner Meinung war. »Warum haben die Lilian Landhäuser und mich also dann persönlich angefordert?«
    »Die KPI Augsburg sagt, sie hätten nicht die erforderlichen Kompetenzen.«
    »Das sagen ausgerechnet Kollegen aus Bayern?«
    »Vielleicht liegt es ja an dem Fundort der Leiche. Es ist die Fuggerei. Ich weiß nicht, ob Sie davon schon etwas gehört haben.«
    Davídsson beobachtete, wie ein Wohnmobil langsam an ihm vorbeirollte, um dann vor ihm zum Stehen zu kommen.
    Ein Mann mit einem kitschig bunten Hawaiihemd stieg aus. Seine Frau folgte von der anderen Seite.
    »Sind Sie noch da, Davídsson?«
    »Fuggerei? Das sagt mir nichts.«
    »Ich kann mir das ja auch nicht erklären. Aber wie schon gesagt: Die haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, dass Sie beide den Fall übernehmen.«
    »Ja.« Das Ehepaar vor ihm lud einen Campingtisch und weiße Plastikstühle aus einem kleinen Fach auf der rechten Seite des Campingaufbaus. Es waren Holländer. Das gelbe Kennzeichen blendete ihn. Die tief stehende Sonne warf ihre Strahlen auf das reflektierende Blech, als wolle sie Davídsson darauf aufmerksam machen.
    Vielleicht hätte ich das Handy lieber auslassen sollen, dachte Davídsson, der nur sein Diensthandy zu Hause liegen gelassen hatte.
    »Möglicherweise wurden Sie ja angefordert, weil es in der Fuggerei einen alten Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg gibt.«
    Davídsson wusste, dass Wittkampf auf den Schwerbelastungskörper in Berlin anspielte. Er hatte den Fall erst vor wenigen Monaten lösen können und war froh darüber, dass die Geschichte langsam verblasste. Er hatte als Isländer keine Lust auf noch mehr deutsche Vergangenheitsbewältigung und all die Vorurteile und Ängste, die mit einem solchen Fall verbunden waren. Das sollten andere machen.
    »Ist das Opfer darin gefunden worden? In dem Bunker?«
    »Nein. Zum Glück nicht.«
    »Woher wissen Sie dann, dass es diesen Bunker gibt? Sind Sie mal dort gewesen?«
    »Ja. Das ist aber schon eine ganze Weile her. Ich hatte in Augsburg mal eine Freundin, lange bevor ich geheiratet habe. Sie hat sehr nahe an der Fuggerei gewohnt und ich habe sie mal mit ihr besichtigt.«
    Die Holländer hatten mittlerweile den Tisch gedeckt und aßen jetzt. Der Lavendelduft wurde von Schinkengeruch überlagert und Radio Nostalgie dudelte französische Chansons und vertrieb die Stille, die eben noch da gewesen war.
    »Ich fahre hin.«
    Wittkampf schien erleichtert zu sein.
    Davídsson hätte ihm diese Bitte ohnehin nicht abschlagen können, nachdem Wittkampf ihm beim letzten Fall den Rücken gegenüber der Innenrevision freigehalten hatte und dabei selbst unter die Räder seiner Vorgesetzten gekommen war, um am Ende an Davídssons Stelle für einen Monat vom Dienst suspendiert zu werden. Auch wenn Wittkampf nie dafür einen Gefallen eingefordert hätte und jetzt auch keine Andeutungen darüber machte, war er ihm trotzdem einen Gefallen schuldig.
    »Wann kommt Lilian Landhäuser nach Augsburg?«
    »Morgen. Sie ist gerade mit einem anderen Fall beschäftigt. Ich musste hier einiges

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