Herbstwald
zum Besprechungsraum und stellte ein Tablett mit fünf Tassen duftenden Kaffees auf den Konferenztisch. »Mein Name ist Elisabeth Hübner, ich werde Ihnen für Ihre Fragen zur Verfügung stehen und diene als Ansprechpartnerin für Ihre Ermittlungen.« Sie setzte sich neben Landhäuser und deutete auf die Tassen. »Wenn Sie mögen, können Sie auch ein Wasser trinken.«
»Ja, gut. Das sind die Kollegen vom Bundeskriminalamt, und uns kennen Sie ja schon«, sagte Hofbauer, der offenbar keinen richtigen Einstieg in ein Gespräch fand.
»Den drei fürstlichen Familien ist die ganze Sache sehr unangenehm. Wir würden es also begrüßen, wenn die Medien nur über unser Haus mit Informationen versorgt würden.«
»Wer ist bei Ihnen dafür zuständig?«, fragte Landhäuser, die sich erste Notizen in ihrem Block machte.
»Die Vorsitzende des Fürstlichen und Gräflichen Fuggerschen Familienseniorats hat das übernommen.«
»Und Sie, welche Funktion haben Sie?«, fragte sie weiter.
»Nur der Administrator und die Vorsitzende des Seniorates haben eine Art Amtsbezeichnung, wenn Ihre Frage darauf abzielte. Ich kümmere mich um alles Mögliche, auch deshalb gibt es keine genaue Bezeichnung meiner Arbeit. Wenn Sie so wollen, ist meine Aufgabe aber die Öffentlichkeitsarbeit und die interne Verwaltung. Ich kümmere mich aber auch um Personalangelegenheiten.«
»Und der Verwalter?«
Die Frau richtete das dunkelblaue Jackett mit den goldenen Knöpfen, bevor sie antwortete. »Der Administrator ist der Verantwortliche für die Fuggerei. Die Bezeichnung stammt noch aus der Zeit ihrer Gründung. Der Begriff Fuggerei hat sich erst später eingebürgert, aber die Position des Administrators war schon bei der Gründung der Stiftung vorgesehen, und so haben wir seine Funktionsbezeichnung über das 500-jährige Bestehen beibehalten, auch wenn uns das dann und wann Schwierigkeiten machte.« Sie nahm sich eine Tasse Kaffee und nippte daran. »Das Jubiläum war erst vor drei Wochen. Wir hatten Besucher aus aller Welt. Sogar drei Japaner waren da. Und jetzt so etwas. Das ist wirklich tragisch.«
Landhäuser wollte zu einer neuen Frage ansetzen, aber Davídsson fiel ihr ins Wort, bevor sie anfangen konnte: »Ich würde mir gerne den Fundort der Leiche ansehen, bevor wir zu den Details kommen.«
Er nahm einen großen Schluck Kaffee, in der Hoffnung, davon wacher zu werden, bevor er sich von dem roten Stuhl erhob. Er hatte immer noch Schmerzen von der langen Fahrt, die im Sitzen schlimmer wurden, aber in erster Linie wollte er damit seiner Forderung Nachdruck verleihen.
Davídssons Plan war aufgegangen. Die Gruppe hatte sich in Bewegung gesetzt. Sie waren an einem Parkplatz vorbeigegangen, um dann wieder durch einen Torbogen zu gehen, in dem rechts Mülltonnen aufgereiht standen. Davídsson war sich sicher, dass sie im Sommer einen unangenehmen Geruch verbreiten würden. Auf der linken Seite standen Fahrräder, deren Sättel bei Regen wenigstens trocken blieben, auch wenn man sie dafür bei Hitze aus einer Gestankshölle holen musste.
Schließlich blieb ihre Ansprechpartnerin vor einem der gelben Reihenhäuser stehen. Die anderen Gebäude ringsherum sahen alle gleich aus. In der Mitte von zwei Eingängen war eine 54 in einen roten Stein gemeißelt worden.
»Die Hausnummern wurden schon 1519 im gotischen Stil angebracht. Damals bestand die Fuggerei nur aus 52 Häusern, aber es waren dafür die ersten Hausnummern in Augsburg überhaupt. 1973 kamen dann weitere 15 Häuser dazu, sodass es jetzt 67 Häuser in der Fuggerei gibt.« Elisabeth Hübner wirkte nervös. Sie zupfte sich ein paarmal an den Ärmeln ihrer Bluse, die unter einem dunkelgrünen Mantel hervorlugten.
Rechts neben der verblichenen grünen Tür war ein altmodischer Klingelzug angebracht worden, der so alt sein mochte wie die Gebäude der Siedlung selbst. Über eine verrostete Stange konnte man im Hausinnern eine Glocke läuten, die den Besuch ankündigte.
»Die alten Klingelzüge sind bei fast jedem Haus anders gestaltet worden. Man sagt, dass man damit erreichen wollte, dass die Bewohner der Fuggerei ihre Häuser auch nachts finden konnten. Heute sind die meisten nur noch Zierde. Wir erteilen immer häufiger eine Genehmigung für eine elektrische Klingel.«
Davídsson dachte an das kleine Häuschen in Siglufjörður, in dem er groß geworden war. Dort gab es nicht einmal eine solche Klingel. Die Haustür war unverschlossen und der Besuch trat einfach ein und machte dann
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