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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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aber in den letzten Monaten war ich … gesundheitlich zu labil für so eine Reise.« Die Ärzte hatten ihr bestätigt, dass der Tumor verschwunden war, nannten es eine Spontanremission .Das komme bisweilen vor, hatten sie ihr erklärt. »Ich weiß nur, dass ihn die Soldaten, als sie endlich bis zu ihm durchgedrungen waren, tot aufgefunden haben. Und dass er einen weißen Kimono getragen haben soll. Was auf einen rituellen Freitod hindeutet, wie man überall lesen konnte.«
    Er nickte. »Ja, das stand überall. Was nirgends stand, war, dass er eine Botschaft hinterlassen hat.«
    »Eine Botschaft?« Sie spürte, wie ihre Wirbelsäule sich straffte. Das Wort elektrisierte sie regelrecht.
    »Eine Botschaft für Sie.«
    Charlotte fasste sich an den Kopf, wie immer irritiert, dass die langen Haare ihres ersten Lebens nicht mehr da waren, holte mühsam Luft und bat dann: »Kommen Sie doch herauf.« Sie wies auf den Stuhl, auf dem sonst ihre Klienten Platz nahmen. »Bitte.«
    Er setzte sich so behutsam, als passiere es ihm öfter, dass Stühle unter ihm zerbrachen. Dann hob er seine Tasche auf die Knie und öffnete sie.
    »Unsere Fachleute haben uns erklärt, dass es beim japanischen Freitod, dem sogenannten Seppuku , üblich ist, dass der Betreffende ein letztes Gedicht verfasst, das sogenannte Todesgedicht.« Er holte ein sorgsam in Klarsichthülle verpacktes Pergament hervor. »Dies ist seines. Und es ist offenbar an Sie gerichtet.« Er hielt es ihr hin.
    Sie nahm es mit Händen, die sich auf einmal ganz schwach anfühlten. Die obere Hälfte des Blattes bedeckten japanische Schriftzeichen, kunstvoll geschrieben, auf der unteren Hälfte stand auf Englisch:
    Charlotte –
    was hätte sein können!
    Sie schlug die Hand vor den Mund, hatte das deutliche Gefühl, dass ihr Herz ein paar Schläge lang aussetzte. Allein seine Handschrift zu sehen, und dann dieses Gedicht …
    »Danke«, sagte sie, als sie wieder zu Atem gekommen war, und legte das Schriftstück beiseite. »Vielen Dank.«
    »Das ist noch nicht alles«, sagte er hastig und hob einen flachen, hölzernen Kasten aus seiner Tasche. »Ich muss dazu anmerken, dass die Geheimdienste natürlich darauf bestanden haben, alle Gegenstände, die Hiroshi hinterlassen hat, eingehend zu untersuchen. Alle Gegenstände und auch seinen Leichnam, um es geradeheraus zu sagen. Es gab natürlich heftige Diskussionen, inwieweit wir seine letzten Wünsche erfüllen sollten. Ich habe mich von Anfang an dafür eingesetzt, aber der Ehrlichkeit halber muss ich sagen, dass letztlich … Nun, man hat an keinem der beiden Objekte etwas gefunden, was von ernsthaftem strategischem Interesse gewesen wäre. Das hat den Ausschlag gegeben.« Er öffnete den Deckel des Kastens.
    Darin lag ein langer Dolch – oder ein kurzes Schwert, je nachdem, wie man es betrachten wollte – mit einer leicht gebogenen, etwa dreißig Zentimeter messenden Klinge.
    »Das ist ein sogenanntes Tantô «, erklärte Adamson. »Ein japanisches Kampfmesser, das für ein Seppuku vorgeschrieben ist.«
    Charlotte betrachtete die Waffe mit gelindem Grusel. Der Griff bestand aus geriffeltem Metall, die Schneide glänzte makellos. »Damit hat er sich getötet?«
    »Ähm … nein. Er hielt es in Händen, als man ihn fand, aber da war er schon tot. Unverletzt. Tatsächlich ist er erstickt.«
    »Erstickt?«
    Adamson seufzte. »Wie es aussieht, hat er die letzten Nano-Assembler dazu veranlasst, aus dem Eisen in seinem Blut dieses Schwert herzustellen. Ohne Eisenatome funktioniert das Hämoglobin im Blut nicht mehr, der Sauerstofftransport aus der Lunge kommt zum Erliegen und, nun ja, man erstickt.«
    Sie streckte die Hände aus. »Darf ich es einmal anfassen?«
    »Ja, natürlich; es gehört ja jetzt Ihnen.« Er bot ihr das hölzerne Etui dar. »Vorsicht, wenn Sie es herausnehmen. Es ist wesentlich leichter, als es aussieht. Es wiegt nur etwas mehr als eine Achtel Unze. Knapp vier Gramm im metrischen System«, fügte er hinzu.
    Ihre Hände hielten in der Bewegung inne. »Vier Gramm? «
    »Das ist die Menge des Eisens in einem menschlichen Körper. Eigentlich würde das nur für einen kleinen Nagel reichen, aber dieses Messer ist eine erstaunliche Konstruktion – wir haben es durchleuchtet, vermessen, analysiert; es besteht hauptsächlich aus winzigsten Hohlräumen und ist dennoch enorm stabil. Im Grunde ein gutes Anwendungsbeispiel für Nanotechnologie auf dem Niveau, das wir selber schon beherrschen. Neue Werkstoffe und so. Deswegen

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