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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Verteidigungsminister überlegte, ob er auch die Größenangabe korrigieren sollte – tatsächlich durchmaß Hiroshi Katos Festung der Einsamkeit nur etwa sechzehnhundert Fuß, also kaum eine Drittelmeile –, ließ es dann aber. »Nein, wir bombardieren erst mal nicht. Zu riskant. Wir warten auf unsere Marines. Die sollen versuchen reinzugehen. Und sie werden nur schießen, falls sie es mit Verteidigungseinrichtungen zu tun bekommen.«
    Noch ein letztes Mal waren die Naniten aktiv geworden, die seine Festung gebaut hatten. Sie hatten ihm eine Tatami -Matte mit weißer Borte gemacht, ein Fässchen mit Tusche, einen Kalligrafie-Pinsel und ein paar Bögen Pergament. Und sie hatten seine Kleidung in einen weißen Kimono umgeformt.
    Die Originale dieser Gegenstände hatte er in Los Angeles gefunden, in einem Japan-Laden. Auf seiner Fahrt nach Süden, nach seinem letzten Besuch bei Rodney, hatte er sie vorsorglich gescannt. Vermutlich standen sie immer noch dort; der Laden hatte nicht so gewirkt, als verkaufe er viel.
    Hiroshi spürte, wie der Kontakt zu den Naniten in der Umgebung schwand, in dem Maße, wie sich die Komplexe gegenseitig verzehrten. Schließlich trat Stille ein.
    Nun waren nur noch die Naniten übrig, die er in seinem Körper beherbergte.
    Nicht mehr lange.
    Hiroshi setzte sich auf die Matte, nahm die seiza -Haltung ein, die für das Seppuku vorgeschrieben war: die Fersen nach außen,die Zehen übereinander, den Rücken gerade aufgerichtet. Faustbreiter Abstand zwischen den Knien. Brust und Schultern entspannt, das Gewicht des Körpers im Unterbauch ruhend. Er musste an seinen Vater denken, der ihm dies einst beigebracht hatte, und spürte Trauer, um ihn wie um sich selbst.
    Ein ehrenvoller Tod ist nichts Schlimmes , ermahnte er sich.
    Er griff nach dem Pergament und dem Tuschepinsel. Zeit für sein jisei no ku , sein Todesgedicht. Er hielt inne, sammelte sich. Die Summe seines Lebens in wenigen Worten. Nun, das war einfach. Er tauchte den Pinsel in die Tusche und schrieb, zuerst auf Japanisch, dann eine englische Übersetzung darunter.
    Es hatte etwas Befreiendes. Ganz erstaunlich. Auf einmal schien es ihm leicht, die Fesseln der Materie abzustreifen.
    Eins noch. Er griff nach einem zweiten Pergament, schrieb seine Anweisungen … nein, seine Bitten auf an jene, die ihn finden würden. Mehr als bitten konnte er nicht, und realistisch betrachtet bestand wenig Hoffnung, dass man seine Wünsche berücksichtigen würde.
    Aber wenigstens hatte er es versucht.
    Noch so ein Fazit seines Lebens.
    Dann legte Hiroshi auch dieses Blatt beiseite, legte die Hände in den Schoß, lockerte die Finger, atmete. Zeit für die letzten beiden Befehle. Der letzte Befehl an die Naniten würde der sein, sich bis auf den letzten Komplex aufzulösen, endgültig und unwiderruflich zu zerfallen in Einzelteile, aus denen nie wieder neue Nano-Assembler entstehen konnten. Darum tat es ihm fast leid. Er hatte die Ästhetik dieser molekülgroßen Maschinen geliebt, hatte die grafischen Darstellungen ihrer Strukturen stundenlang studieren und bewundern können – die zwingende Logik ihrer Gestalt, wenn man einmal die Grundprinzipien verstanden hatte, die Ehrfurcht vor einer Schöpfung, in deren Bauplan diese Möglichkeiten von Anbeginn aller Zeit an vorgesehen gewesen waren …
    Vorbei. Auch davon galt es sich nun zu lösen. Hiroshi entblößte seinen Oberkörper, legte den Bereich bis eine Handbreitunterhalb seines Nabels frei, ertastete das tanden . Dann gab er die Befehle, die allem ein Ende bereiten würden.
    Die linke Hand weiterhin auf dem Zinnoberfeld , streckte er die rechte Hand aus und sah zu, wie ein dunkler Punkt aus der Handfläche trat, rasch größer wurde und sich zu einer Klinge formte …

EPILOG
    E r war noch nie in Buenos Aires gewesen und hatte auch nie erwartet, je im Leben dorthin zu gelangen. Erst recht nicht mit einem First-Class-Flug.
    Geschweige denn mit einem so eigenartigen Gegenstand im Handgepäck.
    An der Zollkontrolle deutete ein grimmig dreinblickender Mann auf seine Umhängetasche und bedeutete ihm mit einer unmissverständlichen Geste, dass er sie öffnen solle. Dies war die Stunde seines funkelnagelneuen Diplomatenausweises. Die Augenbrauen des Zollbeamten hoben sich, er verstieg sich gar zu einem Lächeln und gab den Weg bereitwillig frei. » You’re welcome! Angenehmen Aufenthalt in Argentinien.«
    An diese Art zu reisen konnte man sich gewöhnen.
    Er durchquerte die Halle. Vor dem Ausgang

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