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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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sah man nicht den kleinsten Schimmer davon.
    Den Gärtner sah er oft. Das war Herr Takagi; Hiroshi kannte ihn nur aus der Ferne. Er mähte den Rasen, beschnitt die Büsche auf eine bestimmte Weise, wie sie in Frankreich üblich war: Das hatte er Mutter einmal erzählt.
    Viel mehr passierte nicht. Hiroshi konnte den Vögeln zusehen, die sich ab und zu auf den Zweigen niederließen. Er verfolgte, wie die Schatten wanderten, und versuchte zu erraten, wie spät es war, ehe er auf die Uhr sah. Es war heiß, und es war unbequem am Fenster, aber jetzt hatte er es begonnen, da konnte er es nicht wieder lassen.
    Als Hiroshi kurz vor den Sommerferien sein Zwischenzeugnis bekam, schimpfte Mutter über seine Noten. »Du könntest viel besser sein, wenn du dir nur Mühe geben würdest. Was du dir sonst immer alles merken kannst, da müsste die Schule für dich doch ein Kinderspiel sein. Aber es interessiert dich einfach nicht! Du denkst: Schule, Noten – muy! Aber das ist wichtig. Für später. Wenn du einmal einen guten Beruf haben willst, einen, bei dem du dazugehörst, bei einer guten Firma, dann musst du auf eine gute Oberschule gehen. Und die nehmen dich nur, wenn du gute Noten mitbringst.«
    »Man muss nur die Aufnahmeprüfung schaffen«, wandte Hiroshi ein.
    »Wenn deine Noten zu schlecht sind, darfst du die gar nicht erst machen«, erwiderte Mutter. »Das weißt du genau.«
    »Ja«, gab er zu.
    Es war immer dieselbe Leier. Es stimmte: Die Schule interessierte Hiroshi tatsächlich nicht. Aber war das seine Schuld? Warum lernten sie denn nichts Interessantes, zum Beispiel, wie Roboter funktionierten? Stattdessen langweilige Mathematik, langweiliges Japanisch, langweilige Erdkunde … Es würden noch Jahre vergehen, bis sie endlich mal etwas annähernd Interessantes wie zum Beispiel Physik bekamen.
    Aber wenigstens hatte er nun Ferien. Das hieß, er konnte den ganzen Tag am Fenster auf der Lauer liegen.
    Das gefiel seiner Mutter natürlich erst recht nicht. »Kannst du nicht etwas Vernünftiges mit deiner Zeit anfangen wie andere Kinder?«, rief sie jedes Mal, wenn sie von der Arbeit kam. »Wozu hab ich dir den Bastelkasten gekauft, den du unbedingt wolltest? Jetzt liegt er in der Ecke!«
    »Ich werd schon noch was damit machen«, erwiderte Hiroshi. Es würde ohnehin lange dauern, ehe er wieder einmal ein so großes Geschenk bekam; das musste er sich gut einteilen. Und der Kasten lief ihm nicht weg.
    »Andere Kinder gehen in ihre Schulklubs. Machen Sport. Spielen Fußball, zum Beispiel.«
    »Keine Lust«, sagte Hiroshi.
    Fußball spielen? Irgendwie schien seine Mutter nicht zu registrieren, dass er kleiner und schwächer war als alle anderen in seiner Klasse, was mit anderen Worten hieß: dass er keine Chance hatte. Im Sportunterricht war er immer der, der als Letzter in eine Mannschaft gewählt wurde, der die wenigsten Punkte machte, der zu nichts zu gebrauchen war.
    Abgesehen davon, dass er bei den anderen Jungs ohnehin als Bastard galt, weil sein Vater Amerikaner war. Daken nannten sie ihn, wenn die Lehrer außer Hörweite waren; Promenadenmischung. Und er konnte sich nicht mal wehren.
    »Oder geh schwimmen. Du könntest eine verbilligte Ferienkarte fürs Schwimmbad kriegen, wenn du nur mal ins Schulsekretariat gehen würdest. Das wäre doch besser, als hier den ganzen Tag in der Hitze herumzusitzen.«
    »So heiß ist es gar nicht«, erwiderte Hiroshi. Aber natürlich war es das. Abends war ihm manchmal schlecht von der Hitze.
    »Na schön«, meinte Mutter schließlich. »Spätestens, wenn wir nach Minamata fahren, wirst du von deinem Fenster wegmüssen.«
    Hiroshi ließ den Kopf sinken. Schon wieder nach Minamata! »Wann?«, fragte er.
    »Zum Bon-Fest natürlich. Wie immer.«
    Er überschlug die Zeit bis dahin. O-Bon begann am 13 . August. »Das ist ja noch eine Weile.«
    »Ich sag’s dir nur schon mal.«
    Ein paar Tage später musste er seine »guten« Hosen anprobieren, ob sie ihm noch passten. Taten sie natürlich nicht; sie waren inzwischen zu kurz geworden. Auch wenn er nach wie vor der Kleinste in der Klasse war, war er doch gewachsen.
    »Die hier kann ich auslassen«, überlegte Mutter, während sie vor ihm kniete und an seinen Hosenbeinen herumzog. »Aber die andere ist dir zu eng. Wir werden eine neue kaufen müssen, bevor wir fliegen.«
    »Wir fliegen?«
    »Ja. Frau Nozomi hat mir die Tickets besorgt, sie kennt da jemanden. Wir werden früh aufstehen müssen, das Flugzeug geht um fünf Uhr fünfzig. Aber es

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