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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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Welt. »Kinder?« Erstaunt hob Victor den Kopf. »Ich habe ja schon so einiges aufspüren müssen: Koffer, Ehemänner, Hunde, entlaufene Eidechsen, aber Sie sind die Ersten, die zu mir kommen, weil Sie Ihre Kinder verloren haben, Herr und Frau…« Fragend sah er die beiden an.
»Hartlieb«, antwortete die Frau. »Esther und Max Hartlieb.«
»Und es sind nicht unsere Kinder«, stellte ihr Mann fest. Seine spitznasige Frau warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. »Prosper und Bonifazius sind die Söhne meiner verstorbenen Schwester«, erklärte sie. »Sie hat die Jungen allein großgezogen. Prosper ist gerade zwölf geworden, Bo ist fünf.«
»Prosper und Bonifazius«, murmelte Victor. »Ungewöhnliche Namen. Bedeutet Prosper nicht ›der Glückliche‹?« Esther Hartlieb hob irritiert die Augenbrauen. »Tatsächlich? Nun, ich finde, es sind seltsame Namen, um es nett auszudrücken. Meine Schwester hatte eine Vorliebe für alles Seltsame. Als sie vor drei Monaten überraschend starb, haben mein Mann und ich sofort das Sorgerecht für Bo beantragt, da wir selbst leider keine Kinder haben. Seinen größeren Bruder konnten wir unmöglich auch noch zu uns nehmen. Jeder vernünftige Mensch versteht das, aber Prosper hat sich furchtbar aufgeregt. Wie ein Verrückter hat er sich gebärdet! Wir würden ihm seinen Bruder stehlen! Dabei hätte er Bo einmal im Monat besuchen können!« Ihr Gesicht wurde noch blasser, als es ohnehin schon war. »Vor etwas mehr als acht Wochen sind sie weggelaufen«, fuhr Max Hartlieb fort. »Aus dem Haus ihres Großvaters in Hamburg, wo sie vorübergehend untergebracht waren. Prosper kann seinen kleinen Bruder zu jeder Dummheit überreden, und alles weist darauf hin, dass er Bo hierher geschleppt hat, nach Venedig.« Victor hob ungläubig die Augenbrauen. »Von Hamburg nach Venedig? Das ist ein langer Weg für zwei Kinder. Haben Sie sich schon an die hiesige Polizei gewandt?«
»Natürlich.« Esther Hartlieb schnappte aufgebracht nach Luft.
»Dort war man alles andere als hilfsbereit. Nichts haben sie herausgefunden, dabei kann es doch nicht so schwer sein, zwei Kinder zu finden, die mutterseelenallein…«
»… ich muss leider aus beruflichen Gründen dringend zurück nach Hause«, unterbrach sie ihr Mann. »Deshalb möchten wir Sie, Herr Getz, mit der weiteren Suche nach den Jungen beauftragen. Der Portier unseres Hotels hat Ihre Dienste empfohlen.«
»Nett von ihm«, brummte Victor und spielte mit dem falschen Bart. Das Ding sah aus wie eine tote Maus, wie es da so neben dem Telefon lag. »Aber wieso sind Sie so sicher, dass die beiden nach Venedig gekommen sind? Doch wohl kaum zum Gondelfahren…«
»Ihre Mutter ist schuld.« Esther Hartlieb kniff die Lippen zusammen und warf einen Blick aus Victors staubigem Fenster. Eine Taube hockte aufgeplustert draußen auf dem Balkongitter, die Federn zerzaust vom Wind. »Meine Schwester hat den Jungen ständig von dieser Stadt erzählt. Dass es hier Löwen mit Flügeln gibt und eine Kirche aus Gold, dass auf den Dächern Engel und Drachen stehen und die Treppen an den Kanälen aussehen, als würden nachts Wassermänner hinaufsteigen, um einen Landspaziergang zu machen.« Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. »Meine Schwester konnte so etwas auf eine Art erzählen, dass selbst ich ihr fast geglaubt hätte. Venedig, Venedig, Venedig! Bo hat pausenlos Löwen mit Flügeln gemalt und Prosper hat seiner Mutter sowieso jedes Wort von den Lippen gesogen. Wahrscheinlich hat er gedacht, dass er und Bo geradewegs im Märchenland landen, wenn sie hierher kommen! Mein Gott.« Sie rümpfte die Nase und blickte verächtlich hinaus zu den alten Häusern, von denen der Putz bröckelte.
Ihr Mann rückte sich die Krawatte zurecht. »Es hat uns viel Geld gekostet, die Spur der Jungen bis hierher zu verfolgen, Herr Getz«, sagte er. »Und die beiden sind hier, das versichere ich Ihnen. Irgendwo…«
»… in diesem Durcheinander«, beendete Esther Hartlieb den Satz. »Nun, wenigstens gibt es hier keine Autos, die sie überfahren könnten«, murmelte Victor, wandte sich seinem Stadtplan zu und musterte das Gewirr der Gassen und Kanäle. Dann drehte er sich wieder um und kratzte mit seinem Brieföffner gedankenversunken Strichmännchen in die Schreibtischplatte. Bis Max Hartlieb sich räusperte.
»Herr Getz, nehmen Sie den Auftrag an?«
Victor betrachtete noch einmal das Foto, die beiden so verschiedenen Gesichter, die ernste Miene des Älteren und das unbeschwerte Lächeln

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