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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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von Chinesen an, oder? Außerdem hat sie doch längst ein anderes Kind. Hast du selbst gesagt.« Prosper nickte. »Ja, ja, das stimmt auch«, murmelte er. Aber er sah sich um, als hätte er den Verdacht, dass ihre Tante sich irgendwo in dem Menschengewühl verbarg und nur darauf wartete, Bo zu packen. Wespe hatte Prospers Blick bemerkt. »Du denkst schon wieder an eure Tante, was?«, sagte sie mit gesenkter Stimme, obwohl Bo längst außer Hörweite war. »Vergiss sie, sie sucht nicht mehr nach euch. Und wenn, dann nicht hier.«
Prosper zuckte die Achseln und musterte unbehaglich ein paar Frauen, die vorbeigingen. »Wahrscheinlich nicht«, murmelte er. »Bestimmt nicht«, beharrte Wespe leise. »Hör endlich auf, dir Sorgen zu machen.« Prosper nickte. Obwohl er wusste, dass er nicht damit aufhören konnte. Bo schlief friedlich wie ein Kätzchen, aber Prosper träumte fast jede Nacht von Esther. Mürrische, ewig hektische, haarsprayverklebte Esther. »He, Prop!« Bo stand plötzlich wieder vor ihnen und hielt Prosper ein prall gefülltes Portemonnaie unter die Nase. »Guck mal, hab ich gefunden.«
Erschrocken nahm Prosper es ihm aus der Hand und zog ihn aus dem Gedränge in einen dunklen Arkadengang. Erst hinter einem Stapel von leeren Obstkisten, zwischen denen die Tauben herumpickten, blieb er stehen. »Wo hast du das her, Bo?« Trotzig schob Bo die Unterlippe vor und lehnte den Kopf gegen Wespes Arm. »Gefunden! Hab ich doch gesagt. Es ist so einem Glatzkopf aus der Hosentasche gefallen. Der hat gar nichts gemerkt und da hab ich es eben gefunden.« Prosper stöhnte auf.
Seit sie auf sich gestellt waren, hatte er lernen müssen zu stehlen, erst etwas zu essen, dann auch Geld. Er hasste es. Er hatte so viel Angst dabei, dass ihm die Finger zitterten. Bo dagegen hatte Spaß daran, wie an einem aufregenden Spiel. Aber Prosper hatte ihm das Stehlen verboten und schimpfte ihn jedes Mal fürchterlich aus, wenn er ihn dabei erwischte. Schließlich wollte er nicht, dass Esther behaupten konnte, er, Prosper, habe seinen kleinen Bruder zum Dieb gemacht.
»Komm, reg dich nicht auf, Prop«, sagte Wespe und drückte Bo an sich. »Er sagt doch, er hat es nicht gestohlen. Und der Besitzer ist längst weg. Sieh wenigstens mal nach, wie viel drin ist.« Zögernd öffnete Prosper das Portemonnaie. Die vielen Fremden, die in die Stadt des Mondes kamen, um die Paläste und Kirchen zu bestaunen, verloren ständig etwas. Meist waren es nur Plastikfächer oder billige Karnevalsmasken, die man an jeder Ecke kaufen konnte. Aber ab und zu riss auch der Riemen eines Fotoapparats, ein Bündel Wechselgeld rutschte jemandem aus der Jacke oder so ein voll gestopftes Portemonnaie. Mit ungeduldigen Fingern durchsuchte Prosper die Fächer, doch zwischen verknitterten Kassenbelegen, Restaurantrechnungen und Vaporettokarten steckten gerade mal ein paar Tausend-Lire-Scheine.
»Tja, wäre schön gewesen.« Wespe konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen, als Prosper das Portemonnaie in eine leere Kiste warf. »Unsere Kasse ist fast leer, hoffentlich kann der Herr der Diebe sie heute Abend wieder füllen.«
»Natürlich kann er das!« Bo blickte Wespe an, als hätte sie bestritten, dass die Erde rund ist. »Und irgendwann helf ich ihm dabei! Irgendwann werde ich auch ein großer Dieb! Scipio wird es mir schon beibringen!« »Nur über meine Leiche!«, knurrte Prosper und zog Bo unsanft zurück auf die Gasse.
»Ach, lass ihn doch reden!«, flüsterte Wespe Prosper zu, während Bo mit beleidigter Miene vor ihnen hertrottete. »Oder hast du etwa wirklich Angst, dass Scipio ihn mitnehmen könnte?« Prosper schüttelte den Kopf, aber seine sorgenvolle Miene hellte sich nicht auf. Es war so schwer, auf Bo aufzupassen. Seitdem sie sich aus dem Haus ihres Großvaters geschlichen hatten, fragte Prosper sich mindestens dreimal am Tag, ob es richtig gewesen war, seinen kleinen Bruder mitzunehmen. Wie müde Bo in jener Nacht neben ihm hergetrottet war! Nicht ein einziges Mal hatte er Prospers Hand losgelassen, den ganzen langen Weg zum Bahnhof. Nach Venedig zu kommen war leichter gewesen, als Prosper erwartet hatte. Aber als sie in der Stadt ankamen, wurde es schon Herbst und die Luft war nicht warm und weich, wie er sie sich vorgestellt hatte. Ein feuchter Wind strich ihnen entgegen, als sie die Stufen am Bahnhof hinabstiegen, Seite an Seite, in viel zu dünnen Sachen, mit nichts als einem Rucksack und einer kleinen Tasche. Prospers Taschengeld war schnell

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