Herr Der Fliegen
Talismann hochhielt, die zerbrechliche, schimmernde Pracht der Muschel. Der Lärmsturm schlug ihnen entgegen, eine Beschwörung des Hasses.
Hoch über ihnen stemmte Roger mit einem Gefühl taumelnden Sichgehenlassens sein ganzes Körpergewicht gegen den Hebel.
Ralph hörte den schweren Felsen lange ehe er ihn sah. er spürte auf seinen Fußsohlen, wie die Erde erzitterte und hörte, wie Gestein vom Gipfel der Klippen herabbrach. Dann sprang der riesige rote Brocken über den Damm, und er warf sich unter dem Gekreisch des Stammes platt auf den Boden.
Der Felsen streifte Piggy vom Kinn bis zum Knie, das Muschelhorn zersprühte in tausend weiße Stücke und war nicht mehr. Ohne einen Laut, ohne auch nur einen Seufzer ausstoßen zu können, wirbelte Piggy vom Felsen seitwärts durch die Luft und überschlug sich dabei. Der Felsen prallte noch zweimal auf und tauchte im Wald unter.
Piggy fiel vierzig Fuß tief hinunter und klatschte mit dem Rücken auf den breiten, roten Felsen im Meer. Sein Kopf sprang auf, und eine Masse kam heraus und färbte sich rot. Piggy’s Arme und Beine zuckten noch einmal, wie bei einem Schwein, wenn es getötet worden ist. Dann atmete die See wieder ihr tiefes, langsames Seufzen, die Wasser kochten weiß und rot über den Felsen, und als sie wieder zurückrollten, war der breite, rote Fels leer.
Dieses Mal war die Stille vollkommen. Ralphs Lippen bewegten sich, aber kein Laut drang hervor. Plötzlich sprang Jack aus der Gruppe der Wilden heraus und begann wie toll zu kreischen.
»Da hast du’s! Da hast du’s! So machen wir’s mit euch! Ich hab dir’s gesagt! Jetzt hast du keinen Stamm mehr! Die Muschel ist weg –!«
Er rannte gebückt auf ihn zu.
»Ich bin Anführer!«
Mit tückischer, böser Berechnung schleuderte er Ralph seinen Speer entgegen. Die Spitze fuhr ihm durch Haut und Fleisch in die Brust, dann glitt die Waffe ab und fiel ins Wasser. Ralph taumelte, verspürte aber keinen Schmerz, nur panische Angst, und der Stamm stimmte in das Gebrüll des Häuptlings ein und begann vorzurücken. Noch ein Speer, ein gebogener, der nicht gerade fliegen wollte, zischte an seinem Kopf vorbei; und noch einer fiel von oben herab, wo Roger stand. Die Zwillinge lagen hinter dem Stamm verborgen und die unkenntlichen Teufelsfratzen schwärmten über den Damm. Ralph wandte sich um und floh. ein lautes Gekreisch wie von Seemöwen erhob sich hinter ihm. er gehorchte einem ihm unbekannten Instinkt und wich plötzlich über die freie Stelle aus so daß die Speere danebengingen. er sah den kopflosen Rumpf des Schweins und sprang noch rechtzeitig darüber hinweg. Dann brach er durch Laub und dünne Zweige, und der Wald verbarg ihn.
Bei dem Schwein machte der Häuptling halt, drehte sich um und hob die Arme.
»Zurück! Zurück zur Festung!«
Da strömte der Stamm lärmend zur Landbrücke zurück, wo ihnen Roger entgegenkam. Der Häuptling ging zornig auf ihn zu. »Warum bist du nicht auf deinem Wachtposten?« Roger sah ihn mit schwerem Blick an. »Ich bin eben erst runtergekommen –« Der Fluch des Henkers haftete an ihm. Der Häuptling sagte nichts mehr, sondern blickte auf Samneric nieder.
»Ihr kommt in meinen Stamm.«
»Du läßt mich gehen –!«
»– und mich auch!«
Der Häuptling packte einen der wenigen zurückgebliebenen Speere und stieß Sam in die Rippen.
»Was soll das heißen, he?« sagte der Häuptling herrisch. »Kommen da mit Speeren an, he? Was heißt das, ihr wollt nicht in meinen Stamm?«
Er stach jetzt im Takt zu. Sam schrie laut auf.
»Das macht man ganz anders –«
Roger trat hinter dem Häuptling hervor, fast hätte er ihn mit der Schulter gestoßen. Das Schreien erstarb, und Samneric blickten in stummem entsetzten auf. Roger kam über sie als einer, dem namenlose Gewalt gegeben.
Zwölftes Kapitel
Der KRIEGSSCHREI DER JÄGER
Ralph lag in einem Dickicht und wurde sich seiner Wunden bewußt. Auf der rechten Brustseite war eine ziemlich große auf geschundene Stelle mit einem geschwollenen blutigen riß im Fleisch, wo ihn der Speer getroffen hatte. Sein Haar war voll Schmutz und fiel ihm in die Stirn wie Schlingenranken. Am ganzen Leib war er zerkratzt und wundgestoßen von seiner Flucht durch den Wald. Als sein Atem wieder ruhig ging, wußte er, daß er jetzt seine Wunden noch nicht baden durfte. Wie konnte man nackte Füße kommen hören, wenn man im Wasser patschte? Und war man an dem kleinen Fluß oder am offenen Strand Etwa sicher?
Ralph lauschte. er
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