Herr der Schlangeninsel
Kurs. Und surft
hervorragend. Der kann nicht nur tauchen.“
„Da frage ich mich doch“, rief Gaby,
„was er dort will.“
Tim nickte. „Paddeln, Leute! Wir sind
viel zu langsam. Willi, hau rein! Du mußt dir dein Essen verdienen.“
„Muß ich nicht. Das ist im voraus
bezahlt.“
Sie beobachteten, wie Demetrios sich
der Insel näherte — weit, weit vor ihnen — und hinter einer Felsnase
verschwand.
„Ob der weiß, daß es dort Schlangen gibt?“
Klößchen lachte. „Ist doch manchmal so: Die Einheimischen wissen weniger von
ihrer Umwelt als die Touristen. Wenn ich da an die Reise mit meinen Eltern in
den Schwarzwald denke, hahahah... Dort haben wir einen Schwarzwälder getroffen,
der noch nie was von Kuckucks-Uhren gehört hatte.“
Endlich näherten sie sich der Insel.
Sie lag wie ein verschimmelter Pudding im Meer, bot einen abweisenden Anblick.
„Keine Vegetation“, meinte Karl,
nachdem er seine Brille geputzt hatte, „nur Felsen. Der Herr der Insel muß
wirklich verrückt sein. Wer lebt hier freiwillig? Captain Mur dock hatte damals
noch gute Gründe. Aber heute, wo man jeden Winkel der Welt erreichen kann! Auf
so einen Steinhaufen verzieht man sich nur, wenn die Polizei nach einem sucht.“
„Oder man ist Schlangenforscher“, Tim
lachte, „und schreibt seine Doktor-Arbeit über die Levanteotter.“
Als sie zu einer felsigen Bucht
paddelten, war plötzlich der Weg versperrt. Eine Fels-Barriere hob sich aus dem
Wasser — nur kniehoch, aber breit wie die Mole in Dikti Sfakions Hafen. Als
weit ausholender Halbkreis umgürtete die Barriere die Bucht.
Tim stieg auf den glitschigen Fels und
hielt das Kanu fest.
Prüfend blickte er in die Bucht.
Ihr Wasser war ruhig und glatt wie in
einem Teich. Dort, wo es von Sonnenlicht durchflutet wurde, konnte Tim bis auf
den felsigen Grund sehen. Ein Schwarm kleiner Fische huschte weg. Die Bucht war
nicht tief.
„Das ist wie eine abgegrenzte
Bade-Anstalt. Wir lassen das Boot hier und schwimmen.“
Alle kletterten auf den Fels. Klößchen
rutschte aus und fiel auf den Hintern. Gemeinsam zogen sie das Kanu auf die
Barriere. Dort kippelte es, und im selben Moment rollte vom Meer eine Woge
heran. Bis zum Bauch standen die vier Freunde im Wasser. Das Kanu tanzte in
Kopfhöhe.
Gaby quiekte. Die Woge hatte sie in die
Bucht gespült. Aber der Schreck hielt nicht an. Lachend schwamm Tims Freundin
umher.
„Herrlich! Das Wasser ist ganz warm.
Und perlend.“
Während die Jungs das Kanu in eine
Mulde auf der Fels-Barriere zogen, schwamm Gaby zu einem kleinen Plateau, auf
dem sie stehen konnte. Allerdings reichte ihr das Wasser bis über die Knie.
Tim entdeckte einen Felszapfen, an dem
er die Kette des Kanus festmachte. Jetzt konnte die nächste Woge heranrollen —
sie würde das Boot nicht wegtragen.
„Neiiin!“
Gabys schriller Schrei schnitt in die
Ohren.
Tim fuhr herum.
Entsetzt deutete seine Freundin ins
Wasser.
Und dort — nur wenige Meter entfernt —
näherte sich die dreieckige, schwarze Rückenflosse eines Haifischs. Zielstrebig
durchpflügte sie das Wasser, hielt zu auf Gaby.
„Bleib wo du bist!“ schrie Tim.
Er riß das Hai-Messer aus der Scheide
und stürzte sich ins Wasser. Das Herz hämmerte. Aber er verschwendete keinen
Gedanken an die Gefahr. Es kam nur darauf an, Gaby zu retten. Egal, was es
kostete. Zwischen sie und den angreifenden Hai mußte er sich werfen — bzw.
schwimmen. Immerhin — das Messer war gewaltig. Tim hielt es fest in der Faust.
Es mußte gelingen, die Meeresbestie abzuwehren.
Hoffentlich, dachte er, ist es kein
Tigerhai oder großer Weißer. Dann wäre ich verloren.
Tim tauchte, stieß den Kopf hinab und
spähte durch das klare Wasser, um den Gegner ausfindig zu machen.
Dort!
Ein dunkler Schatten glitt heran.
Tim sah nur die Umrisse.
Der Hai schwamm dicht unter der
Oberfläche, schimmerte grau und silbrig und schwarz. Genaueres konnte Tim nicht
erkennen. Das Sonnenlicht kam ihm entgegen und blendete.
Immerhin — das Tier war nicht riesig,
sondern höchstens zwei Meter lang.
Von unten, dachte Tim, greife ich an.
Und schlitze das Vieh auf — falls es auf gutes Zureden und Nasenstüber nicht
reagiert.
Er schnellte vorwärts. Dann hätte er
beinahe Wasser geschluckt, nämlich mit offenem Mund geatmet.
Es war kein Hai.
Ein Schwimmer näherte sich. Mit
Tauchmaske, mit Schnorchel, mit Schwimmflossen an Händen und Füßen. Und auf den
Rücken hatte sich der Typ ein dreieckiges Segel geschnallt — ein
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