Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
Prolog
Colorado-Territorium, 1868
Im Schatten des Pikes Peak
L arson Jennings hatte diesen Augenblick schon tausendmal durchlebt, und er jagte ihm noch immer einen Schauer über den Rücken. Er drehte sich im Sattel herum und betrachtete den gewundenen Pfad, der ihn in den letzten fünf Monaten Tag und Nacht in seinen Träumen und in seinen wachen Gedanken verfolgt und gelockt hatte. Unter seine Vorfreude, nach Hause zu kommen, mischte sich eine böse Vorahnung, die keine Feierstimmung zuließ.
Vorsichtig zog er seine Lederhandschuhe aus und betrachtete seine entstellten Hände. Er beugte langsam die Finger und verzog bei dem unangenehmen Gefühl, das in seinen rechten Arm schoss, das Gesicht. Die Haut war fast verheilt, aber über seinen Handrücken spannte sie sich immer noch sehr schmerzhaft. Ähnlich wie über seinen halben Körper. Szenen aus jener verhängnisvollen Nacht tauchten wieder vor seinem geistigen Auge auf. Grelles, weißes Licht, eine unerträgliche Hitze.
Er schloss die Augen. Bei dieser Erinnerung ging sein Atem schneller und seine Haut kribbelte. Er hatte dem Tod zwar den Sieg verwehrt, aber von diesem Kampf hatte er bleibende Narben davongetragen.
Wie würde Kathryn reagieren, wenn sie ihn so sah? Und wie waren die letzten Monate, in denen er spurlos verschwunden war, für sie gewesen? Der Gedanke, dass sie die Hoffnung auf seine Heimkehr aufgegeben haben und ihn für tot halten könnte, rührte eine Wunde an, die so tief in seinem Herzen saß, dass Larson es nicht ertragen konnte, diesen Gedanken länger zuzulassen. Kathryn wäre da … Sie wäre da!
Wenn er ihr vielleicht ein besserer Ehemann gewesen wäre, wenn er sie besser versorgt hätte oder wenn er ihr das hätte geben können, was sie wirklich wollte, würde er vielleicht mit anderen Gefühlen heimkehren. Aber durch ihre Kinderlosigkeit hatte sich schon vor Jahren eine Kluft zwischen ihnen aufgetan, und die Wahrheit über ihre Ehe konnte er genauso wenig leugnen wie die Narben, die seinen Körper entstellten. Die Schuld daran lag hauptsächlich bei ihm. Das wusste er jetzt.
Er ritt weiter, am Espenwald vorbei, der die nördliche Grenze seines Grundbesitzes bildete, dann durchquerte er an einer seichten Stelle den Fountain Creek. Erinnerungen an längst vergangene Zeiten vermischten sich mit seinen Bedenken. Glückliche Erinnerungen. Larson war für diese angenehmeren Bilder dankbar. Kathryn war zwanzig gewesen, als er sie das erste Mal hierher gebracht hatte. Der Weg von Boston ins Colorado-Territorium war beschwerlich gewesen, aber sie hatte sich nicht beklagt. Kein einziges Mal. Dabei hatte er gespürt, wie mit jeder Meile, die sie sich weiter von der ihr bekannten Welt entfernt hatte, ihre stumme Angst gewachsen war. Er erinnerte sich an eine Nacht, die sie in einem starken Sturm im Planwagen mitten in der Prärie verbracht hatten. Ein stürmischer Wind und wolkenbruchartiger Regen hatten um sie herum gewütet und Kathryn hatte ihm, wenn auch mit einem leichten Zittern in der Stimme, versichert, dass sie dieses Abenteuer genieße. In dieser Nacht, die sie eng aneinandergeschmiegt verbrachten, hatte er ihr versprochen, dass er sie beschützen und für sie sorgen werde. Er hatte immer noch die feste Absicht, dieses Versprechen zu halten, auch wenn die Wirklichkeit viel bescheidener ausfiel als seine Träume.
Kathryn war ihm jetzt wichtiger als alles andere. Sie war mehr als seine Frau, mehr als seine Geliebte. Sie ergänzte ihn auf wunderbare Weise in vielen Bereichen, von denen er früher keine Ahnung gehabt hatte. Er bedauerte, dass dieser enge Kontakt mit dem Tod nötig gewesen war, um ihm die Wahrheit vor Augen zu führen. Wenn er ihr jetzt nur helfen könnte, nicht nur sein Äußeres zu sehen, sondern zu erkennen, was für ein Mann er geworden war!
Als Larson um die Wegbiegung ritt und das bekannte Bild vor ihm auftauchte, schlug sein Puls schneller. Geschützt zwischen den Espen und den Weiden, an denen der Frühling neue Blätter sprießen ließ, im Schatten der majestätischen Berge, die immer sein Zuhause sein würden, lag seine und Kathryns Blockhütte. Der Anblick dieser Kulisse verschlug ihm noch immer den Atem.
Larsons Magen zog sich zusammen, während er nach einem Lebenszeichen Ausschau hielt. Als er näher ritt, wehte ein leichter Wind vom Berg herab und pfiff durch die Zweige über seinem Kopf. Die Hüttentür ging knarrend auf. Ein Adrenalinschub setzte alle seine Nerven unter Strom.
„Kathryn?“,
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