Herr der Welt
Ostwind über den geheimnisvollen Berg hinwegtrieb. Der Erdboden war ebenso ruhig wie die Luft. Kein unterirdisches Rollen, kein Erzittern des Bodens unter unseren Füßen machte sich bemerkbar… überall herrschte die feierliche Stille der großen Höhen.
Hier sei gleich eingeflochten, daß der Umfang des Great-Eyry – abgeschätzt nach der Zeit, die wir gebraucht hatten, ihn zu umkreisen, und unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, die wir auf dem schmalen Plateau zu überwinden hatten – elf-bis zwölfhundert Fuß betragen mochte. Seinen Umfang im Innern konnten wir unmöglich beurteilen, da uns die Dicke der ihn umschließenden Felswand unbekannt war.
Natürlich erwies sich die Umgebung völlig wüst und öde, und es erschien mir begreiflich, daß sich hier kein lebendes Wesen zeigte, mit Ausnahme einiger riesiger Raubvögel, die über dem Great-Eyry kreisten.
Unsere Uhren wiesen jetzt die dritte Nachmittagsstunde.
»Und wenn wir hier auch bis zum Abend blieben, rief Herr Smith mit ärgerlicher Stimme, da wüßten wir auch nicht mehr als jetzt! Wir müssen wieder aufbrechen, Herr Strock, wenn wir vor der Nacht in Pleasant-Garden zurück sein wollen.«
Da ich ihm nicht antwortete und auch den Platz, wo ich saß, nicht verließ, trat er an mich heran.
»Nun, Herr Strock, fuhr er fort, Sie sagen ja gar nichts! Haben Sie mich etwa nicht verstanden?«
Ich muß gestehen, daß es mich viel Überwindung kostete, wieder hinabzusteigen, ohne meinen Auftrag erledigt zu haben. Auch fühlte ich, mit dem gebieterischen Verlangen auszuharren, daß meine Neugier sich nur verdoppelte.
Doch was sollte ich tun? Lag es in meiner Macht, die mächtige Wallmauer zu durchbrechen oder die trotzigen Felsen zu erklimmen?
Ich mußte mich wohl oder übel fügen, und nach einem letzten Blicke auf den Great-Eyry folgte ich meinen Begleitern, die schon die Abhänge des Blad hinunterglitten.
Der Rückweg erfolgte ohne besondere Schwierigkeiten und ohne größere Anstrengung. Schon vor fünf Uhr überschritten wir die letzten Ausläufer der Bergmasse und der Verwalter von Wildon empfing uns in dem Speisezimmer, wo schon Erfrischungen und ein nahrhaftes Essen für uns bereit stand.
»Sie haben also nicht in das Innere eindringen können? fragte uns der Mann.
– Nein, antwortete Herr Smith; ich fange wahrlich an zu glauben, daß der ganze Great-Eyry nur in der Einbildung unserer braven Landleute existiert!«
Halb neun Uhr erwartete uns vor dem Hause der Wagen des Ortsvorstehers von Pleasant-Garden, wo wir die Nacht zubringen sollten.
Während ich vergeblich zu schlafen versuchte, fragte ich mich, ob es nicht das richtigste sei, mich für einige Tage in dem Flecken einzuquartieren und eine wiederholte Besteigung unter kundiger Führung zu veranstalten. Leider war kaum zu erwarten, daß eine solche erfolgreicher sein werde als die erste.
Schließlich erschien es mir am ratsamsten, nach Washington zurückzukehren und dem Herrn Ward Bericht zu erstatten. So verabschiedete ich mich denn am Abend des nächsten Tages in Morganton von Herrn Smith und begab mich nach dem Bahnhofe, wo der Schnellzug nach Raleigh zum Abgange bereit stand.
Viertes Kapitel.
Ein Wettrennen des Automobilklubs.
Sollte, was der Great-Eyry in seinem Schoße barg, noch dank unvorherzusehenden Umständen an den Tag kommen?… Das mußte die Zukunft lehren. Daß es höchst wünschenswert wäre, darüber konnte kaum ein Zweifel aufkommen, denn vielleicht hing davon die Sicherheit der Bewohner dieses Teiles von Nordkarolina ab.
Doch wie dem auch sei, schon vierzehn Tage nach meiner Rückkehr nach Washington wurde die öffentliche Aufmerksamkeit durch ein Ereignis ganz anderer Art in Anspruch genommen, von einem Ereignis, das ebenso geheimnisvoll bleiben sollte wie die Erscheinungen, deren Schauplatz der Great-Eyry gewesen war.
Um die Mitte des Monats Mai brachten die Tageszeitungen Pennsylvaniens ihren Lesern zur Kenntnis, was sich kürzlich an verschiedenen Orten des Staates zugetragen hatte.
Seit einiger Zeit bewegte sich auf den rund um Philadelphia ausstrahlenden Landstraßen ein höchst merkwürdiges Gefährt, dessen Gestalt, Natur und Größenverhältnisse bei der Geschwindigkeit, womit es dahinflog, niemand zu erkennen vermochte. Nur darüber war man einig, daß es ein Automobil sei. Bezüglich des Motors, der ihm als Kraftquelle diente, war man dagegen auf mehr oder weniger annehmbare Mutmaßungen beschränkt, und wenn sich die Phantasie der großen
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