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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gedanken wirbelten mir durch den Kopf. Mir war’s, als würde ich davon hingeschleppt durch alles Unmögliche, so wie ich jetzt tatsächlich auf einem fliegenden Ungeheuer durch die Luft getragen wurde. Bis wohin würde dieses bei seiner erstaunlichen Geschwindigkeit wohl noch im Laufe der Nacht gelangen?… Ich erinnerte mich dabei der fast unglaublichen Luftreise des »Albatros«, über die das Weldon-Institut nach den Mitteilungen Uncle Prudents und Phil Evans’ einen Bericht veröffentlicht hatte. Was Robur der Sieger mit seinem früheren Luftschiffe hatte ausführen können, das mußte ihm doch mit dem neuen, den Flug des Vogels nachahmenden Apparat erst recht, ja unter noch günstigeren Verhältnissen gelingen, da er jetzt sozusagen Herr der Erde, der Meere und der Lüfte war.
    Endlich drang der erste Tagesschein in meine Kabine. Noch wußte ich nicht, ob es mir vergönnt sein werde, diese zu verlassen und meinen Platz auf dem Verdeck wieder einzunehmen, wie mir das bei der Fahrt über den Eriesee vergönnt gewesen war.
    Auf einen Druck gab der Lukendeckel nach und ich richtete mich vollends auf.
    Rings um die »Epouvante« dehnte sich ein Meereshorizont aus. In der Höhe von tausend bis zwölfhundert Fuß flogen wir über einen Ozean hin.
    Robur sah ich zunächst nicht, er mochte sich wohl im Maschinenraume aufhalten.
    Turner stand am Steuer und sein Genosse am Vorderteile des Decks.
    Sobald ich mich auf diesem befand, sah ich, was ich während der Nachtfahrt zwischen dem Niagarafalle und dem Great-Eyry nicht hatte sehen können, wie die mächtigen Flügel arbeiteten, die sich an Back-und an Steuerbord auf und ab bewegten, während sich die Turbinen unter den Seitenwänden des Fahrzeuges gleichsam in die Luft hineinbohrten oder -schraubten.
    Aus dem Stande der Sonne, wenige Grade über dem Horizonte, erkannte ich, daß wir nach Süden steuerten. War der Kurs seit der Abfahrt aus dem Kesseltale kein anderer gewesen, so mußte das Meer, das sich unter unseren Füßen ausbreitete, der Golf von Mexiko sein. Der Tag versprach warm zu werden; im Westen stiegen langsam dicke, bleifarbene Wolken auf. Diese Vorzeichen entgingen auch Robur nicht, als er gegen acht Uhr aufs Verdeck herauskam, um Turner abzulösen. Vielleicht erinnerte er sich dabei an jene Wasserhose, die den »Albatros« zu zerstören gedroht hatte, und an den furchtbaren Wirbelsturm im antarktischen Gebiete, aus dem er nur wie durch ein Wunder heil und gesund hervorgegangen war.
    Was freilich in einem ähnlichen Falle das frühere Luftschiff nicht hätte tun können, das mußte dem jetzigen Aviator ein Leichtes sein. Er brauchte sich ja nur aus den oberen Luftschichten, wo der Kampf der Elemente wüten würde, hinabzusenken, also nur auf die Oberfläche des Meeres hinunterzugehen, und wenn hier ein gar zu heftiger Wogengang herrschte, so wußte er ja in der stillen Tiefe dagegen Schutz zu finden. Irgendwelchen Anzeichen nach setzte Robur – der gewiß die Eigenschaften eines
»Weather-wise«
(Wetterkundigen) besaß? – aber jedenfalls voraus, daß das Unwetter, wenn der Himmel auch gewitterdrohend aussah, am heutigen Tage nicht zum Ausbruch kommen würde. Er hielt also seine bisherige Richtung ein, und auch als wir am Nachmittage aufs Wasser hinuntergingen, geschah das gewiß nicht aus Besorgnis vor schlechtem Wetter.
     

    Die »Epouvante« wurde Schlag auf Schlag von Blitzen getroffen. (S. 189.)
     
    Die »Epouvante« ist ein Seevogel, ein Fregattvogel oder ein Alcyon (Taucherkönig), der auf den Wellen ausruhen kann, nur mit dem Unterschiede, daß bezüglich ihrer metallischen, von unerschöpflicher Elektrizität bewegten Organe von Ermüdung keine Rede sein kann.
    Die grenzenlose Wasserfläche war übrigens völlig öde und leer. Selbst am äußersten Horizonte zeigte sich weder ein Segel noch eine Rauchsäule. Der Aviator konnte also bei seinem Fluge durch die Luft von niemand beobachtet worden sein.
    Am Nachmittage ereignete sich nichts Ungewöhnliches. Die »Epouvante« lief nur mit mittlerer Geschwindigkeit. Welche Pläne der Kapitän haben mochte, das konnte ich unmöglich erraten. Bei der weiteren Verfolgung der jetzigen Richtung mußte er auf eine oder die andere der Großen Antillen treffen und auf der entgegengesetzten Seite des Meerbusens nach der Küste von Venezuela oder Kolumbien kommen. In der nächsten Nacht stieg das Luftschiff vielleicht aber wieder auf, um über die große Landenge von Guatemala und Nicaragua hinwegzuschweben

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