Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr des Chaos

Herr des Chaos

Titel: Herr des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
die Messingröhre an das Auge hielt, sprang das Schiff mit einemmal auf ihn zu und er erkannte Einzelheiten. Die Meerleute schienen auf etwas zu warten, aber worauf? Einige hielten in Richtung Maerone Ausschau, aber die meisten blickten in die entgegengesetzte Richtung, darunter alle, die sich auf dem hohen Achterdeck befanden. Dort würde sich die Segelherrin zusammen mit den anderen Schiffsoffizieren aufhalten. Er schwang das Fernrohr ein Stück herum und beobachtete das andere Flußufer.
    Von dort her näherte sich ein langes, schmales Ruderboot. Dunkelhäutige Männer saßen an den Riemen und trieben das Boot schnell dem Schiff zu.
    Es gab an den langen Anlegestegen Aringills so etwas wie einen Menschenauflauf, ganz ähnlich dem am Ufer Maerones. Rote Kurzmäntel mit weißen Kragen und glänzenden Harnischen deuteten auf Mitglieder der Königlichen Garde hin, die sich offensichtlich mit einer vom Schiff her gekommenen Gruppe trafen. Was Mat zu einem leisen Pfeifen veranlaßte, waren die beiden mit Fransen besetzten roten Sonnenschirme bei den Neuankömmlingen. Einer davon wies sogar zwei ›Stockwerke‹ auf. Manchmal waren diese uralten, geliehenen Erinnerungen wirklich nützlich: dieser zweistöckige Sonnenschirm gehörte zu einer Clan Wogenherrin, während der andere wohl ihren Schwertmeister kennzeichnete.
    »Ich habe ein Boot, Mat«, verkündete Estean lauthals und atemlos an seiner Schulter. »Und ein paar Ruderer.«
    Mat wandte sich mit seinem Fernrohr wieder dem Schiff zu. Der Unruhe an Deck zufolge waren sie gerade dabei, das kleine Boot auf der gegenüberliegenden Seite hochzuhieven, doch gleichzeitig harten andere Männer an der Ankerwinde damit begonnen, den Anker zu lichten, und die Segel wurden herabgelassen. »Sieht so aus, als brauchte ich es nicht mehr«, knurrte er.
    An der anderen Seite des Flusses verschwand die Delegation der Atha'an Miere mit ihrer Eskorte von Gardesoldaten in Richtung Stadt. Das Ganze ergab irgendwie keinen Sinn. Meerleute neunhundert Meilen vom Meer entfernt. Nur die Herrin aller Schiffe war von höherem Rang als eine Wogenherrin, und nur der Meister aller Klingen stand über ihrem Schwertmeister. Nein, es ergab keinen Sinn, nicht einmal den Erinnerungen dieser anderen Männer nach. Aber diese waren natürlich auch uralt. Er ›erinnerte‹ sich daran, daß man von den Atha'an Miere weniger wußte als von irgendeinem anderen Volk, abgesehen von den Aiel. Er selbst wußte mehr aus eigener Erfahrung über die Aiel als aus diesen Erinnerungen, und auch das war noch ziemlich wenig. Vielleicht konnte sich jemand einen Reim drauf machen, der die Meerleute von heute gut kannte.
    In kürzester Zeit blähten sich die Segel über dem Schiff des Meervolks, während der Anker tropfend auf dem Vorderdeck festgemacht wurde. Was sie auch zu solcher Eile antrieb, jedenfalls wollten sie nicht zum Meer zurück. Immer schneller glitt das Schiff flußaufwärts der langgezogenen Krümmung nach in Richtung der von Sümpfen gesäumten Mündung des Alguenya ein paar Meilen nördlich von Maerone.
    Nun, es hatte jedenfalls nichts mit ihm zu tun. Nach einem letzten bedauernden Blick in Richtung des Schiffes, das bestimmt eine ebensolche Ladung hätte befördern können, wie all die kleinen gecharterten Flußkähne zusammen, steckte Mat des Fernrohr in die Tasche zurück und wandte dem Fluß den Rücken zu. Estean stand immer noch herum und starrte ihn an.
    »Sagt den Ruderern, daß sie wieder gehen können, Estean«, seufzte Mat enttäuscht, und der Tairener stampfte unter Selbstgesprächen davon, wobei er sich schon wieder mit den Händen durchs Haar fuhr.
    Es war mehr Schlamm an den Ufern sichtbar als beim lerztenmal, als er vor ein paar Tagen zum Fluß heruntergekommen war. Wohl nur ein matschiger Streifen weniger als eine Handbreit zwischen dem Wasserlauf und dem einen Schritt breiten Streifen getrockneten Schlamms daneben, aber eben doch der Beweis dafür, daß selbst ein Fluß wie der Erinin langsam austrocknete. Hatte nichts mit ihm zu tun. Er konnte sowieso nichts dagegen ausrichten. So ging er zurück und machte sich wieder an die Runde durch die Tavernen und Schankräume. Es war wichtig, daß heute niemand etwas Außergewöhnliches bemerkte.
    Als die Sonne unterging, befand sich Mat wieder im ›Goldenen Hirsch‹ und tanzte mit Betse. Sie hatte nun keine Schürze mehr an, und die Musiker spielten, so laut sie nur konnten. Diesmal waren es ländliche Tanzmelodien. Die Tische und Bänke

Weitere Kostenlose Bücher