Herr des Chaos
zu ihrem Herrn und Lord ausgerufen, was ihm ja zustand, nachdem er sie zum Sieg über die Trollocs geführt hatte. Langsam dämmerte es ihm wohl auch, daß er daran nichts ändern konnte, denn sie verbeugten sich vor ihm und nannten ihn Lord Perrin, selbst wenn er ihnen gerade einen Moment vorher befohlen hatte, das zu unterlassen. Und doch wehrte er sich mit Haut und Haaren gegen all die Äußerlichkeiten, die dieser Rang mit sich brachte, also gegen alles, was die Menschen eben nunmal von Lords und Ladies erwarteten. Was noch schlimmer war: Er wehrte sich auch gegen die Pflichten eines Lords. Faile wußte über solche Dinge bestens bescheid, denn sie war das älteste überlebende Kind von Davram t'Ghaline Bashere, Lord von Bashere, Tyr und Sidona, Wächter der Grenze zur Fäule, Verteidiger des Herzlandes, Generalfeldmarschall der Königin Tenobia von Saldaea. Sicher, sie war von zu Hause weggelaufen, um Jägerin des Horns zu werden, und hatte das dann wieder aufgegeben, um sich einen Mann zu nehmen, was sie selbst immer noch verblüffte, aber sie erinnerte sich sehr wohl an alles. Perrin hörte zu, wenn sie Erklärungen abgab, und er nickte sogar an den richtigen Stellen, aber wenn sie versuchte, ihn dazu zu bringen, daß er das alles nun auch in die Tat umsetzte, war es, als wolle sie einem Pferd beibringen, wie man den Sa'sara tanzt.
Cenn spuckte zum Schluß beinahe Gift und Galle. Er besann sich dann aber gerade noch darauf, lieber einiges herunterzuschlucken.
»Perrin und ich haben uns für ein Strohdach entschieden«, sagte Faile gelassen. Während Cenn noch selbstzufrieden nickte, fügte sie hinzu: »Ihr habt es noch nicht fertig gedeckt.« Er zuckte zusammen. »Ihr scheint mehr Aufträge angenommen zu haben, als Ihr ausführen könnt, Meister Buie. Wenn unser Dach nicht bald fertig ist, fürchte ich, müssen wir mit Meister Hornval über seine Ziegel verhandeln.« Cenns Mund zuckte heftig, ohne daß er ein Wort herausbrachte. Wenn sie das Herrenhaus mit Ziegeln decken ließ, würden andere das nachahmen. »Ich habe Euren Vortrag durchaus gern angehört, aber ich bin sicher, Ihr würdet auch lieber mein Dach fertigstellen, als Eure Zeit mit müßiger Konversation zu verschwenden, so nett sie auch sein mag.«
Cenn preßte die Lippen aufeinander und funkelte sie einen Augenblick lang an, doch dann überlegte er es sich und deutete eine Verbeugung an. Er murmelte noch etwas, das bis auf die letzten Worte - »Lady Faile« - unverständlich blieb, und dann stolzierte er hinaus, wobei er seinen Stock lautstark auf die Fußbodenbretter knallte. Mit welchen Dingen doch die Menschen ihre Zeit verschwendeten! Perrin würde künftig seinen Teil zu diesen Audienzen beitragen, und wenn sie ihn fesseln und herschleppen mußte.
Der Rest war dann nicht mehr so aufregend. Eine Frau, einst kräftig, doch nun hing ihr blumenbesticktes, geflicktes Kleid wie ein Sack an ihr herunter, die den weiten Weg von der Toman Halbinsel jenseits der Ebene von Almoth bis hierher zurückgelegt hatte, wollte mit Krautern und Heilmitteln handeln. Der hochgewachsene Jon Ayellin, der sich ständig über die Glatze strich, und der magere Thad Torfinn, der vor Nervosität an den Revers seiner Jacke herumzwirbelte, stritten sich über die Grenzen ihrer Felder.
Zwei Domanimänner mit dunklem Teint, langen Lederwesten und kurzgeschnittenen Vollbärten berichteten, sie seien Bergbauspezialisten und glaubten, auf ihrem Weg über die Berge ganz in der Nähe Anzeichen für Gold- und Silberadern entdeckt zu haben. Und Eisen, aber daran hatten sie weniger Interesse. Und als letztes kam eine drahtige Frau aus Tarabon mit einem durchsichtigen Schleier vor dem schmalen Gesicht, das Haar zu einer Unmenge dünner Zöpfe geflochten, die behauptete, Meisterin in der Kunst des Teppichwebens zu sein und auch Teppichwebstühle bauen zu können.
Faile verwies die Kräuterfrau an den Frauenzirkel des Ortes. Falls Espara Soman sich damit wirklich auskannte, würden sie wohl eine Arbeit bei einer der Seherinnen in den Dörfern der Umgebung für sie finden. Bei all den vielen Neuankömmlingen, von denen viele nach den Reisestrapazen in einem schlechten gesundheitlichen Zustand waren, hatten sich die Seherinnen der Zwei Flüsse ausnahmslos bereits ein oder zwei Helferinnen zugelegt und waren auf der Suche nach weiteren. Vielleicht entsprach das nicht ganz Esparas Vorstellungen, aber es war immerhin die Chance für einen Neubeginn. Nach ein paar Fragen war ihr klar,
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