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Herr des Chaos

Herr des Chaos

Titel: Herr des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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oder als Gefolgsmann eines Lords oder einer Lady, und nicht einmal einen, der als Leibwächter irgendeines Kaufmannes sein Brot verdient hatte. Die ersten der Jünglinge waren als Jungen oder junge Männer zur Weißen Burg gekommen, um dort von den Behütern ausgebildet zu werden, den besten Schwertkämpfern, den besten Kriegern der Welt, und dieser Tradition folgten sie noch immer auf gewisse Weise, wenn sie auch nicht mehr von den Behütern unterrichtet wurden. Ihre Jugend betrachteten sie nicht als Nachteil. Erst vor einer Woche hatten sie eine kleiner Feier veranstaltet zu Ehren des ersten richtigen Schnurrbarts, den Benji Dalfor zurechtstutzen konnte, und auf der Wange trug er eine Narbe, die von den Auseinandersetzungen in der Burg herrührte. In den ersten Tagen nach der Absetzung Siuan Sanches als Amyrlin waren die Aes Sedai viel zu beschäftigt gewesen, um solche Wunden zu heilen. Vielleicht wäre sie noch immer die Amyrlin, hätten sich die Jünglinge nicht einigen ihrer früheren Lehrer zum Kampf gestellt und sie in den Sälen der Burg besiegt.
    »Hat das überhaupt einen Sinn, Lord Gawyn?« fragte Hai Moir. Er war zwei Jahre älter als Jisao, und wie viele derer, die kein Zeichen der silbernen Burg trugen, bedauerte er, nicht dabeigewesen zu sein. Er würde es auch noch lernen. »Es ist überhaupt nichts von Aielmännern zu sehen.«
    »Glaubst du?« Ohne eine warnende Geste schleuderte Gawyn einen Stein mit aller Kraft gegen den einzigen Busch, der sich in ihrer Nähe befand, ein ziemlich dürres Gestrüpp nur. Nur das Rascheln abgestorbener Blätter war zu hören, doch der Busch bebte ein wenig stärker, als zu erwarten gewesen war, ganz so, als sei ein Mann, der sich - wie auch immer -dahinter verbarg, an einer empfindlichen Körperstelle getroffen worden. Die Neuen kommentierten die Bewegung erstaunt, während Jisao lediglich sein Schwert lockerte. »Hai, ein Aiel kann sich in einer Mulde am Boden verstecken, über die du nicht einmal stolpern würdest.« Nicht, daß Gawyn mehr über die Aiel gewußt hätte als das, was in den Büchern stand, aber er hatte jedes Buch in der Bibliothek der Weißen Burg aufgestöbert das jemand geschrieben hatte, der tatsächlich gegen sie gekämpft hatte, jedes Buch von einem Soldaten, der zu wissen schien, wovon er berichtete. Ein Mann mußte sich auf die Zukunft vorbereiten, und die Zukunft der Welt schien vor allem aus Krieg zu bestehen. »Aber wenn es dem Licht gefällt, wird heute nicht mehr gekämpft.«
    »Lord Gawyn!« erscholl ein Ruf von weiter oben am Hügel, wo der Wachtposten gerade dasselbe entdeckt hatte wie er: drei Frauen, die aus einem kleinen Wäldchen ein paar hundert Schritt westlich getreten waren und auf den Hügel zuschritten. Im Westen: eine Überraschung. Aber die Aiel liebten ja Überraschungen.
    Er hatte davon gelesen, daß Aielfrauen mit ihren Männern in den Kampf zogen, aber mit diesen dunklen, bauschigen Röcken und den weißen Blusen konnten die drei wohl kaum kämpfen. Sie hatten sich trotz der Hitze Schals um die Arme geschlungen. Andererseits, wie hatten sie dieses Wäldchen überhaupt ungesehen erreichen können? »Haltet die Augen offen und gafft diese Frauen nicht an!« sagte er, und dann mißachtete er den eigenen Befehl, denn er beobachtete aufmerksam und interessiert die drei Weisen Frauen, die Abgesandten der Shaido Aiel. Hier draußen konnten sie nichts anderes sein als Abgesandte.
    Sie kamen gemäßigten Schrittes näher, überhaupt nicht so, als näherten sie sich einer großen Gruppe bewaffneter Männer. Ihr Haar trugen sie lang, bis zur Hüfte, dabei hatte er gelesen, daß die Aiel die Haare immer kurz schnitten, und sie hatten es mit zusammengerollten Tüchern zurückgebunden. Dazu hatten sie derart viele Armreifen und Halsketten aus Gold und Silber und Elfenbein angelegt daß das Glitzern ihre Anwesenheit schon auf eine Meile Entfernung verraten hätte.
    Hoch aufgerichtet und mit stolzen Mienen schritten die drei Frauen an den Soldaten vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen, und stiegen den Hügel empor. Ihre Anführerin hatte goldenes Haar und die weite Bluse so tief geöffnet, daß eine beachtliche Fülle sonnengebräunten Busens zu sehen war. Die anderen beiden waren grauhaarig, und ihre Gesichtshaut wirkte wie gegerbtes Leder; sie mußten bestimmt doppelt so alt sein.
    »Ich hätte nichts dagegen, die vordere zum Tanz zu begleiten«, sagte einer der Jünglinge bewundernd, als die Frauen vorübergeschritten waren.

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