Herr des Chaos
sozusagen einen Schlag mitten ins Gesicht. »Anscheinend ist Mat der Befehlshaber, Sheriam, und in gewisser Weise ist das Heer die Botschaft. Anscheinend möchte Rand, daß wir alle zu ihm nach Caemlyn kommen. Es war die Rede von Treueschwüren.«
Sheriam hob mit geweiteten Augen ruckartig den Kopf. Allerdings waren ihre Züge angesichts dieses Vorschlags nur teilweise von Zorn geprägt. Sie zeigten entschieden ... nun, bei jeder anderen als einer Aes Sedai hätte Egwene es Angst genannt. Es wäre sehr verständlich, wenn dem so wäre. Wenn sie das versprochen hätte - und sie stammte aus demselben Dorf; einer der Gründe, warum sie die Amyrlin war, bestand darin, daß sie mit Rand aufgewachsen war -, wäre es eine Grube ohne Boden, aus der man erst wieder herausgelangen müßte. Die Nachricht würde sich verbreiten, gleichgültig, was Sheriam unternähme. Einige Angehörige des Saals könnten ihr sehr wohl die Schuld dafür geben oder es immerhin als Vorwand benutzen. Romanda und Lelaine waren nicht die einzigen Sitzenden, die Egwene davor gewarnt hatten, Sheriams Rat ohne Rücksprache mit dem Saal zu folgen. Delana war in Wahrheit die einzige, die Sheriam wirklich vollkommen zu unterstützen schien, aber sie riet ebenfalls, auch auf Romanda und Lelaine zu hören, als sei es tatsächlich möglich, gleichzeitig in drei verschiedene Richtungen zu gehen. Und selbst wenn man mit dem Saal zurechtkäme - wenn die Nachricht über das Versprechen und das Zurücknehmen des Versprechens Rand erreichte, würde er noch zehnmal schwerer zu lenken sein. Hundert Mal.
Egwene wartete nur, bis sich Sheriams Lippen teilten, und sprach dann zuerst. »Natürlich habe ich ihm gesagt, das sei lächerlich.«
»Natürlich.« Sheriams Stimme war nicht mehr ganz so ruhig wie vorher. Sehr gut.
»Aber Ihr habt ganz recht. Die Situation ist heikel. Es ist zu schade. Euer Rat, wie mit Romanda und Lelaine umzugehen sei, war gut, aber ich glaube nicht, daß verstärkte Vorbereitungen zum Aufbruch jetzt noch genügen werden.«
Romanda hatte sie in die Enge getrieben und grimmig darüber belehrt, daß Hast Unheil anrichtete. Gabriel Brynes Heer mußte groß genug werden, daß die Nachricht seiner Größe Elaida einschüchtern würde. Und im übrigen konnte Romanda gar nicht nachdrücklich genug betonen, daß die Abordnungen zu den Herrschern zurückgerufen werden mußten. Nur Aes Sedai sollte es erlaubt sein, von mehr Schwierigkeiten in der Burg zu erfahren als vermeidbar. Lelaine kümmerten weder Lord Brynes Heer noch die Herrscher - beide waren unwichtig -, obwohl sie zu Vorsicht und abwartender Haltung riet. Die richtige Annäherung an die noch in der Burg befindlichen Aes Sedai würde sicherlich Vorteile bringen. Elaida konnte auf eine Weise vom Amyrlin-Sitz vertrieben werden und Egwene ihn einnehmen, daß nur einige wenige Schwestern jemals sicher wüßten, was tatsächlich geschehen war. Mit der Zeit würde die Tatsache, daß die Weiße Burg jemals gespalten gewesen war, nur als eine Geschichte vom Lande angesehen. Es hätte vielleicht sogar funktioniert, wenn sie genug Zeit gehabt hätten. Wenn das Abwarten Elaida nicht ebensoviel Gelegenheit gegeben hätte, auf die Schwestern hier einzuwirken.
Der Unterschied bei Lelaine war, daß sie alles mit einem Lächeln geäußert hatte, das sehr gut einer gehorsamen Novizin oder einer Aufgenommenen hätte gelten können, auf die sie sehr stolz war. Egwenes Wiederentdeckung des Schnellen Reisens veranlaßte viele Aes Sedai zu lächeln, obwohl nur eine Handvoll von ihnen stark genug waren, ein größeres Tor zu gestalten, als ihr Arm benötigte, und die meisten brachten nicht einmal das zustande. Romanda wollte Tore benutzen, um die Eidesrute und bestimmte andere Gegenstände aus der Burg fortzuschaffen -Egwene wurde nicht gesagt, was genau -, damit sie in Salidar wahre Aes Sedai sein konnten, während sie Elaida der Fähigkeit beraubten. Sicherlich wollte Egwene eine wahre Aes Sedai sein. Darin stimmte Lelaine mit Romanda überein, nicht aber darin, Tore in die Burg zu benutzen. Die Gefahr der Entdeckung war zu groß, und wenn jene in der Burg das Schnelle Reisen erlernten, ginge zuviel Vorteil verloren. Diese Einwände waren vom Saal schwer gewichtet worden, was Romanda überhaupt nicht gefiel.
Sheriam hatte ebenfalls gelächelt, weil Lelaine mit etwas einverstanden gewesen war, aber jetzt lächelte sie nicht. »Mutter, ich bin nicht sicher, daß ich das verstehe«, sagte sie viel zu duldsam.
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