Herr des Chaos
Mitglieder der Bande stellte auch für ihn Mats Glück eine Art von Talisman dar »Würfel nützen verdammt noch mal gar nichts«, sagte Daerid, der kommandierende Offizier der Infanterie ihres kleinen Heeres. Er trank gierig und beachtete die angeekelte Grimasse nicht, die Nalesean hinter seinem pomadisierten Bart nicht ganz verbergen konnte. Die meisten Adligen, die Mat kennengelernt hatte, hielten Würfelspiele für gewöhnlich und lediglich für Bauern geeignet. »Ich habe noch nie erlebt, daß Ihr den Tag beim Würfelspiel mit einem Rückstand beendet habt. Es muß an etwas liegen, das Ihr selbst nicht in der Hand habt, das unbewußt kommt, wenn Ihr versteht, was ich meine.«
Daerid - nur wenig größer als sein Landsmann aus Cairhien, Talmanes - war gut fünfzehn Jahre älter. Seine Nase war mehr als einmal gebrochen worden, und drei weiße Narben überschnitten sich auf seinem Gesicht. Er war der einzige dieser drei, der nicht von adliger Herkunft war, und auch er hatte sich das Vorderteil seines Schädels geschoren und gepudert. Daerid war sein ganzes Leben lang Soldat gewesen.
»Wir haben an Pferde gedacht«, warf Nalesean ein und gestikulierte mit seinem Zinnbecher. Er war ein stämmiger Mann, größer als die beiden aus Cairhien, und er kommandierte die andere Hälfte der Kavallerie der Bande. Mat wunderte sich manchmal, warum er bei dieser Hitze noch den vollen schwarzen Bart trug, aber er pflegte und trimmte ihn jeden Morgen, damit er immer spitz blieb. Und obwohl Daerid und Talmanes ihre schlichten grauen Kurzmäntel geöffnet hatten, hatte Nalesean seinen - grüne Seide mit typisch tairenischen gestreiften Puffärmeln und Aufschlägen aus Goldsatin an den Ärmeln - bis zum Hals zugeknöpft. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß, was er aber ignorierte. »Seng meine Seele, aber Euer Glück hält an, sowohl in der Schlacht wie beim Kartenspiel. Und beim Würfeln«, fügte er noch mit einer Grimasse in Daerids Richtung hinzu. »Doch beim Pferderennen hängt alles am Pferd.«
Mat lächelte und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Sucht Euch ein gutes Pferd, und dann werden wir ja sehen.« Sein Glück würde vielleicht ein Pferderennen nicht beeinflussen, denn von Würfeln und Karten und ähnlichem abgesehen, wußte er nie im voraus, was es wohl beeinflussen werde oder wann, aber er war mit einem Vater aufgewachsen, der Pferdehändler war, und er hatte ein sehr gutes Auge für Pferde.
»Wollt Ihr nun diesen Wein oder nicht? Ich kann nicht eingießen, wenn ich Euren Becher nicht erreiche.«
Mat blickte sich nach hinten um. Die Serviererin hinter ihm hielt einen auf Hochglanz polierten Zinnkrug in der Hand. Sie war klein und schlank und bildhübsch mit ihren dunklen Augen, den blassen Wangen und den ihr bis auf die Schulter herab fallenden schwarzen Locken. Und diese für Cairhien so typische präzise und dabei musikalische Aussprache ließ ihre Stimme wie Glockenklang erscheinen. Er hatte schon seit dem ersten Tag, als er den ›Goldenen Hirsch‹ betrat, ein Auge auf Betse Silvin geworfen, doch dies jetzt war die erste Gelegenheit, sich mit ihr zu unterhalten. Ansonsten gab es immer fünf Dinge, die sofort erledigt werden mußten, und zehn andere, die sie gestern schon erledigt haben sollte. Die anderen Männer hatten ihre Nasen in ihren Bechern vergraben, damit er sich so allein mit ihr wie eben möglich fühlen konnte. Hinausmarschieren konnten sie ja wohl schlecht. Aber sie hatten gute Manieren; sogar die beiden Adligen.
Grinsend schwang Mat seine Beine über die Bank nach hinten und hielt ihr den Becher hin, damit sie ihn auffüllen konnte. »Dankeschön, Betse«, sagte er, und sie knickste leicht. Als er sie dann allerdings fragte, ob sie sich nicht selbst eingießen und mit ihm trinken wolle, stellte sie den Krug auf den Tisch, verschränkte die Arme und hielt den Kopf ein wenig schief, damit sie ihn von Kopf bis Fuß mustern konnte.
»Ich glaube kaum, daß so etwas Frau Daelvin gefallen würde. O nein, das würde ihr bestimmt nicht passen. Seid Ihr ein Lord? Sie scheinen alle nach Eurer Pfeife zu tanzen, aber keiner redet Euch mit »mein Lord« an. Sie verbeugen sich ja kaum - höchstens die Gemeinen.«
Mat zog die Augenbrauen hoch. »Nein«, sagte er kürzer angebunden als beabsichtigt, »ich bin kein Lord.« Rand sollte ruhig die Leute herumlaufen und ihn mit Lord Drache oder so ähnlich anreden lassen. Das war nichts für Matrim Cauthon. Ganz bestimmt nicht. Er holte tief Luft, und sein
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