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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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nicht, wie von der Geschäftsführung verlangt, Anzug und Krawatte trage. Sondern Jeans und Mokassins. Aber immerhin habe ich dazu ein Markenhemd von Signum an, das bestimmt gut aussehen würde, wenn es gebügelt wäre und ich es in die Hose stecken würde.
    Aber das ist mir egal. Ich bin ein frisch verlassener Single-Mann, also so etwas Ähnliches wie ein Albatros-Junges, das von seiner Mutter eine Steilwand hinuntergeschubst wurde, damit es endlich fliegen lernt. Ob es überlebt, ist unklar. Und wenn nicht, trauert ihm auch keiner nach. Angesichts solcher Umstände bin ich stolz darauf, rumzulaufen wie Captain Jack Sparrow nach fehlgeschlagener Kapertour durch die Karibik. Und wenn das Laurenz Gabriel nicht gefällt, dann kann er mich gerne über die Planke schicken.
     
    9:44 Uhr: Oben im dritten Stock schleiche ich so unauffällig zu meinem Schreibtisch, als wäre ich ein amerikanischer Elitesoldat bei einem Undercover-Einsatz in Afghanistan. Ich habe einfach keine Lust, blöde Fragen meiner Kollegen zu beantworten.
    So richtig unbemerkt bleibe ich natürlich nicht. Wie denn auch? Ich arbeite in einem Großraumbüro und darum stolpere ich alle drei Meter über einen freundlich grüßenden Kollegen oder eine charmant lächelnde Kollegin, und alle
fragen mich mit einem entspannten Gesichtsausdruck, wie denn mein Wochenende so war.
    Nach dem dritten Mal reicht’s mir. Ich setze ein Lächeln auf wie ein Kamikaze-Pilot vor dem Take-off, stelle mich mitten in die Gasse zwischen den Schreibtischen und brülle so laut, dass es jeder, wirklich jeder auf der Etage und im ganzen Gebäude noch hören kann: »Ob ich am Wochenende etwas Schönes erlebt habe? Aber hallo! Ich war zum ersten Mal seit langem wieder in der Disco. Ich habe fünf Liter Wodka getrunken, zwei hübsche Frauen angegraben und mit meiner Familie gegrillt. Ach ja, und meine langjährige Freundin hat mich verlassen. Wirklich, ein rundum gelungenes Wochenende.«
    Okay, das alles sage ich natürlich nicht. War nur eine finstere Fantasie. In Wahrheit brummele ich etwas vor mich hin, das man mit viel Wohlwollen als Guten Morgen durchgehen lassen könnte. Dann verziehe ich mich an meinen Schreibtisch und hoffe inständig, für den Rest des Tages in Ruhe gelassen zu werden. Pro forma nehme ich mir ein paar Unterlagen vor, kann mich aber kaum konzentrieren. Es ist gerade Viertel vor zehn am Montagmorgen und ich finde, dass es höchste Zeit fürs nächste Wochenende ist.
     
    10:23 Uhr: Falsche Einstellung! Schließlich habe ich etwas zu tun. Etwas Wichtiges. Nämlich eine Frau kennenzulernen. Und dafür bin ich genau richtig hier im Büro. Gut die Hälfte aller Beziehungen bahnen sich im Job an! Mit anderen Worten: Ich bin gar nicht bei der Arbeit, sondern bei einer Kontaktbörse. Und für meine Anwesenheit werde ich sogar noch bezahlt!

     
    11:58 Uhr: Mache mir immer noch Gedanken darüber, welche meiner Kolleginnen ich angraben könnte, als mich eine glucksend-freundliche Stimme aus den Gedanken reißt: »Stefan? Alles klar? Soll ich den Defibrillator holen? Oder reicht ein normaler Kaffee?«
    Ich blicke hoch und sehe einhundertsiebzig Zentimeter Klassefrau: hüftlange blonde Haare, ein zart geschwungenes Schlüsselbein, prächtige Titten, schmale Taille, super Hüfte. Meine Kollegin Birgit Schäfer, die Sorte Frau, bei deren Schöpfung Gott im Playboy abgeguckt haben muss.
    Blitzartig weiß ich, dass sie es ist, die Frau, die mich von allen Problemen errettet. »Kaffee ist eine super Idee, Birgit. Was hältst du davon, wenn wir einfach rüber zum Italiener gehen? Es ist ein wunderbarer Sommertag, und wir sind zwei junge, hübsche, gut gelaunte Menschen, die wirklich etwas Besseres tun sollten, als hier in der stickigen Büroluft rumzuhängen.«
    Birgit wirft mir einen seltsamen Blick zu. »Klingt irgendwie so, als hättest du heute ein kleines Hormonproblem, Stefan. Aber nichts für ungut, ich bestelle dir einfach keinen Kaffee, sondern einen Yogi-Chai und dann kriegen wir das bestimmt wieder in den Griff.«
    Sie lacht herzerweichend, ich bin hingerissen. Wir nehmen unsere Jacken und machen uns gemeinsam auf den Weg zum Italiener auf der anderen Straßenseite. Wobei ich die Blicke meiner neidischen Kollegen wie Dolche in meinem Rücken spüre.
     
    12:28 Uhr: Mit einer Frau wie Birgit Schäfer im Café zu sitzen, ist wie mit einem Ferrari vor einer roten Ampel zu
stehen. Du musst nichts machen, und trotzdem gucken alle. Das gilt natürlich besonders, wenn man

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