Herrengedeck
oder?«
Jeder andere Typ würde für so einen bescheuerten Spruch
nur Gelächter ernten. Nicht Andy. Die gerade noch ultrafrostigen Blicke der Sekretärinnen tauen auf, ihre Mundwinkel heben sich wieder vom Fußboden in Richtung Decke und ihre nach vorne eingesunkenen Schultern werden wieder stramm nach hinten gezogen, um die Titten - auch aus dem Hause Velux - in Stellung zu bringen. Andy hat zwar eine Ausstrahlung wie ein Billigzuhälter mit Nylonhemd und Goldkettchen, aber in guten Momenten ist er nun einmal ungeheuer einnehmend.
0:44 Uhr: Sitze mit Andy und den beiden Silikonlawinen, Jessica und Sandy, in einer schummrigen Polsterecke im hinteren Bereich der Disco, schlürfe Champagner und höre Andy dabei zu, wie er Geschichten über mich erzählt. Geschichten, bei denen ich mich glatt in mich selbst verlieben könnte. Stefan, also ich, ist ein Börsenhai, der nicht nur ein paar Millionen auf dem Konto hat, nein, er besitzt außerdem einen Porsche (der leider gerade in der Werkstatt ist), eine Villa im Bergischen Land (die leider gerade renoviert wird) und außerdem ein Anwesen auf Malle, das ich schon an Boris Becker, Marius Müller-Westernhagen und Iris Berben vermietet habe. »Stimmt’s nicht, Stefan?«, fragt Andy nach jedem dritten Satz.
»Doch, klar«, antworte ich begeistert. »Du vergisst, dass ich außerdem der Besitzer eines Luxushotels bin, und wenn Jessy und Sandy Lust haben, würde ich ihnen gerne mal die Suite zeigen, wo wir dann in kleinerem Rahmen weiterfeiern können.«
Ich finde meinen Spruch ziemlich gelungen, zumal er auch nicht unglaubwürdiger ist als der Senf, den Andy erzählt.
Aber dennoch ist die Wirkung nicht die erhoffte, weil die beiden Mädchen mich kopfschüttelnd ansehen und irgendetwas von billiger Anmache murmeln. Andy gießt ihnen Champagner nach, lehnt sich dann zu mir herüber und raunt: »Übertreib nicht gleich, alter Junge. Eine Frau rumzukriegen ist wie einen Safe zu knacken. Da muss man ganz feinfühlig rangehen. Mit Fingerspitzengefühl.«
»Mir fehlt halt ein wenig die Übung, Andy. Ich war zu lange vom Markt.«
»Entspann dich einfach und beobachte mich dabei, wie man es macht.« Mit diesen Worten beugt Andy sich vor, legt Jessi eine Hand aufs Knie und steckt ihr dann die Zunge in den Hals. Offenbar weiß ich wirklich nicht mehr, wie es geht, denn wenn das, was Andy da tut, Fingerspitzengefühl ist, weiß ich nicht, was er tut, wenn er mal richtig rangeht.
Immerhin führt es dazu, dass ich mich auf einmal in einem vertraulichen Zweiergespräch mit Sandy wiederfinde, wobei mir ein wenig die Konzentration fehlt, um etwas wirklich Sinnvolles von mir zu geben. Liegt wohl am Alkohol. Unter anderem. Denke kurz nach, wie ich unsere Konversation in Gang bringen könnte, und stelle ihr dann die einigermaßen kluge Frage: »Und was machst du so?«
Meine Worte haben die gleiche Wirkung, die der Startschuss bei der Weltmeisterschaft im Schnellsprechen hat. Sandy legt los, und zu Beginn versuche ich noch, die Worte Douglas, Mannequin, Stylistin und Heidi Klum in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen, gebe dann aber schnell auf. Ich tue so, als würde ich zuhören und ballere mir nebenbei jede Menge Wodka-Redbull rein. Das ist an sich ein Getränk, das eine Wirkung wie eine Elektroschockbehandlung
hat und mit dem man selbst Ötzi aus seinem zehntausendjährigen Schlaf erwecken könnte.
Man sollte es nur nicht übertreiben. Ungefähr beim achten Glas kippt das chemische Gleichgewicht in meinem Körper schlagartig in den roten Bereich. Wobei ich das Ganze zunächst sogar lustig finde, denn auf einmal nehme ich meine Umgebung wahr wie einen auf Slowmotion gestellten Film in Super-HD-Auflösung. Sandys ohnehin riesige Lippen wirken noch viel größer und bewegen sich langsam auf und zu wie der Mund eines Koikarpfen beim Luftschnappen. Ihre Stimme sinkt in einen Frequenzbereich, der dem Signalhorn eines Ozeandampfers gleicht, so dass ich einige Mühe habe, sie zu verstehen: »Stefaaaaaaan? Iiiiiissssstttt aaaaallllleeeesss iiiiiiiinnnnn Ooooorrrrrdddddnuuuuunnnnng miiiiiiiiittttttt diiiiiiiiiiir?«
Ich versuche etwas zu antworten, was mir aber nicht so richtig gelingt. Muss auch nicht. Was sagte Andy vorhin doch gleich über Frauen und Safes? Ich glaube, mir ist gerade die richtige Kombination eingefallen, um die Tür zu öffnen! Ohne noch so recht zu wissen, was ich eigentlich tue, beuge ich mich nach vorne, um an den kleinen Rädchen von Sandy zu drehen, die sich
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