Herrengedeck
deutlich unter ihrem Kleid abzeichnen. Gleichzeitig versuche ich meinen Kopf an die Tür zu legen, um das leise Klicken des verborgenen Schließmechanismus besser hören zu können. Dreimal rechts, viermal links, dann wieder rechts …
Da bewegt sich irgendetwas, das man glatt für die aufwendig manikürte Hand eines der Mädchen halten könnte, ziemlich schnell auf mich zu und landet mit einem lauten Knall auf meiner Wange. Könnte ich wohl noch einmal die
Wiederholung sehen? Tatsächlich scheint die Hand meiner Bitte nachzukommen und rauscht erneut auf mich zu - seltsamerweise landet sie diesmal auf der anderen Wange. Wieder höre ich verzerrte Stimmen im Niedrigfrequenzbereich, die irgendetwas von wegen Antatschen, Security und Anzeige schreien.
Daraufhin antwortet Andys ebenfalls zu einem tiefen Bass gedehnte Stimme, und ich höre Vokabeln, die nach Missverständnis und Er will doch nur spielen klingen.
Dann weiß ich nur noch, dass ich nichts mehr weiß. Der Film ist zu Ende und der Vorhang geht zu. Absolute Dunkelheit macht sich breit.
2. Tag: Sonntag
10:38 Uhr: Könnte mal bitte jemand die Schlagbohrmaschine von meiner Schläfe nehmen? Und die Magensonde mit dem elektrischen Quirl dran ist auch nicht so angenehm.
10:42 Uhr: Liege in meinem Bett. Aber wieso falsch rum und komplett angezogen und mit Schuhen? Und wieso habe ich diesen komischen Geschmack im Mund, der an eine Mischung aus Ammoniak, Gammelfleisch-Döner und Blumenerde erinnert?
10:44 Uhr: Und wo, verdammt noch mal, ist Katja?
11:26 Uhr: Meine erste Nahrung an diesem Tag besteht aus einem Glas Wasser und fünf Aspirin, von denen ich drei gleich wieder in die Kloschüssel kotze. Aber immerhin, die beiden übrig gebliebenen wirken.
11:37 Uhr: Eigentlich müsste jetzt Katjas Stimme wie eine Fliegersirene durch die Wohnung dröhnen und mich beschimpfen. Weil sie das immer getan hat, wenn ich zuviel getrunken habe. Etwas später dann, wenn sie sich beruhigt
hat, würde sie so etwas sagen wie: »Ach, Bär. Du hast es gut. Du kannst dich mal wieder an nichts erinnern. Ich aber schon - das ist gar nicht gut.«
Ich hätte vermutlich geantwortet: »Sei nicht böse, Maus. Ich liebe dich.«
»Ach, Stefan. Ich dich doch auch. Obwohl du so bist, wie du bist.«
Stattdessen: nichts. In der Wohnung herrscht nur eine lähmende Stille, sieht man mal von meinen eigenen Stöhngeräuschen ab.
13:35 Uhr: Sollte besser nicht an Katja denken. Bekommt mir nicht. Das Problem ist nämlich, dass sie immer noch mein Mädchen Nummer eins ist. Daran hat sich seit dem Tag, an dem ich sie zum ersten Mal gesehen habe, nichts geändert. Trotz der ganzen Unstimmigkeiten in letzter Zeit. Und der Trennung. Ich erinnere mich an unsere erste Begegnung, als wäre es gestern gewesen. Katja stand auf einem Depeche-Mode-Konzert hinter mir und tippte mir mehrmals auf die Schulter, weil sie nichts sehen konnte. Ich ignorierte sie, schließlich wollte ich mich nicht von einer Unbekannten nerven lassen, solange die Musik lief. Irgendwann habe ich mich umgedreht, um sie zu fragen, ob sie nicht einfach mal still sein könnte. Wir haben uns in die Augen gesehen und es war um uns beide geschehen. Wir sagten gar nichts und starrten uns nur an, während Dave Gahan vorne Enjoy the silence sang. Sie hat dann die restlichen anderthalb Stunden des Konzerts auf meinen Schultern gesessen. Danach sind wir etwas trinken gegangen und sie sagte: »Hey, das war das schönste Konzert, auf dem ich jemals gewesen bin.«
»Und du warst das schönste Gepäck, das ich jemals auf den Schultern hatte.«
»Und? Sitzt da normalerweise eine andere Frau?«
»Im Moment nicht.«
»Dann ist der Platz also frei?«
»Nein, er ist reserviert.«
»Oh.«
»Für dich«, sagte ich lächelnd.
Unsere erste gemeinsame Nacht folgte nur ein paar Tage später. Am Morgen danach legte Katja ihren Kopf auf meine Schulter und meinte: »Ich habe das Gefühl, als würde ich dich seit langem kennen. Als würde ich irgendwie … ankommen. Verrückt, oder?«
»Ja, ziemlich«, sagte ich. »Aber soll ich dir was verraten? Mir geht’s genauso.«
Uns war beiden klar, dass das zwischen uns etwas Besonderes ist. Etwas, das keiner von uns leichtfertig aufs Spiel setzen darf. Etwas, an dem wir festhalten müssen. Schade nur, dass sie jetzt losgelassen hat.
13:45 Uhr: Was ich damit sagen möchte, ist, dass ich mit Katja verdammt glücklich war. Sie war mein Sechser im Lotto. Mit Zusatzzahl. Und jetzt fühle
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