Herrentier
Da gehst du auch ganz schnell wieder rein. Ich finde, Zoos sollten generell geschlossen werden.«
Sie setzte sich wieder.
»Jedenfalls gibt es noch keine heiße Spur, hat mir Axel Grieshaber erzählt«, sagte Gregor.
»Da steckt bestimmt die Mafia dahinter«, sagte Madeleine tonlos.
»Die aus Sizilien?«
»Quatsch. Die Tiermafia.«
Gregor lag eine patzige Bemerkung auf der Zunge, aber er schwieg. Wo bekam der Zoo seine Tiere her? Diese Frage hatte er sich nie gestellt. Wenn zum Beispiel herauskäme, dass exotische Exemplare auf nicht hundertprozentig korrekten Wegen in die Stadt gekommen waren, dann hätte der Zoo ein echtes Problem. Und es gäbe bestimmt mächtige Strippenzieher, die Druck ausüben könnten. Emma, die Äffin, ein Bauernopfer? Auf jeden Fall eine Spur – beziehungsweise eine schöne Schlagzeile.
»Du bist genial.«
Madeleine hatte sich wieder auf die Couch gesetzt. Sie schenkte sich nach.
»Ist das Limettenwein?«, fragte Gregor.
»Du hast Recht, der ist unglaublich sauer.«
»Dafür schmeckst du unglaublich süß.« Er lehnte sich an Madeleine, zog sanft ihren Kopf zu sich und küsste sie. Sie legte die Arme um ihn.
»Im Ofen steht noch etwas zu essen für dich. Gebackenes Gemüse. Und ein Lammkotelett.«
»Lamm? Ist meine schöne Vegetarierin sich etwa untreu geworden? Ich dachte das einzige Fleisch, das ich in diesem Haushalt noch bekomme, bist du …«
Gregors Hand glitt in einen schmalen Durchschlupf zwischen Madeleines Hosenbund und ihrem Oberteil.
»Aber das Bild stimmt nicht«, raunte er.
»Welches Bild?«
»Das vom Krieg zwischen Mensch und Tier«, flüsterte Gregor. »Tiere können überhaupt keine Kriege führen, das ist eine Spezialität der Menschen.«
Gregors Hand hatte entdeckt, dass Madeleine unter ihrem Pullover ganz und gar nackt war.
»Und sich lieben, das können auch nur Menschen«, fiepte sie.
Bevor Gregor schlafen ging, warf er einen Blick ins Kinderzimmer. Eines der Bettchen war leer, in dem anderen lagen die beiden Mädchen. Uta und Jutta. Wie zwei Engelchen, dachte Gregor. Ein perfektes Bild, wenn nicht das eine Engelchen dem anderen die Füße ins Gesicht strecken würde. Gregor nahm Jutta vorsichtig auf den Arm und trug sie in das leere Kinderbett. Anna kam ihm in den Sinn, und die Rührung über seine beiden Kinder übertrug sich ein wenig auf das Affenmädchen.
Und dann ging er doch noch nicht ins Bett. Im Wohnzimmer klappte er den Computer auf. Im Internet fand er Artikel über illegale Tiertransporte. Geschichten von Touristen, die sich lebende Souvenirs aus dem Südseeurlaub mit nach Hause brachten. Von den Galapagos-Inseln nach Güstrow. Babyschildkröten, als Medaillons getarnt. Löwenfelle als Bettvorleger. Auf der Seite einer Tierschutzorganisation fand er schlecht formulierte Pressemitteilungen mit Anwürfen gegen Zoologische Gärten. Immer am Rande der Unsachlichkeit. Gregor scrollte gelangweilt die Seite nach unten. Probleme in Köln. Skandale in Stuttgart. Illegaler Tierhandel in Rostock.
Dann war er hellwach. Tatsächlich: Vor etlichen Jahren war der Zoo damit in die Schlagzeilen geraten. »Zoodirektorin Hammer im Würgegriff: Wo ist die Brillenschlange?« Offenbar hatte man damals Reptilien an einen griechischen Zoo verkauft. Über einen Zwischenhändler waren die Tiere auf die Reise gegangen. Aber nicht alle kamen an. Eines der Jungtiere starb auf dem Transport.
Laut der aufgeregten Tierschützer waren solche Verkäufe branchenüblich, um die Kassen aufzubessern. Die Einrichtung in Griechenland war zudem dafür bekannt, dass die Besucher sich dort ihre Lieblingstiere aussuchen und gleich mit nach Hause nehmen konnten. Solcherart verkaufte Tiere landeten in Privathaushalten oder chinesischen Quacksalber-Küchen. Tigerpimmel als Potenzmittel.
Ein paar Wochen lang hatten sich die Kollegen auf Evelyn Hammer eingeschossen. Mehr als Verdächtigungen und Vorwürfe blieben am Ende allerdings nicht übrig. Die Verkaufspapiere waren korrekt, die Direktorin gab sich zerknirscht. Man habe aus dem Fall gelernt und die Geschäfte mit dem Tierhändler aufgegeben, hieß es in einem Interview.
»Oder auch nicht«, sagte Gregor laut und formulierte schon einmal die neue Headline: »Nach dem Schlangen-Skandal: Handelt der Zoo jetzt mit Menschenaffen?« Er musste nur noch einen Zusammenhang zwischen den früheren und den jetzigen Vorfällen herstellen. Plötzlich schien alles sonnenklar. Der Rostocker Zoo mit seiner direkten Anbindung an den Hafen
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