Herrin der Falken
Bücher selbst führen könnte, Pflegemutter, brauchte ich nie Angst zu haben, von einem unehrlichen Haushofmeister betrogen zu werden.«
Luciella lächelte freundlich. Sie war eine kleine, mollige Frau mit sorgfältig gelocktem Haar und so untadelig gekleidet, als wolle sie die Königin bei einem Gartenfest empfangen. Sie meinte: »Ich glaube, wir können einen Mann für dich finden, der dir all diese Sorgen abnehmen wird, Pflegetochter.« Sie beugte sich nieder, um Mallina auf die Wange zu küssen, und tätschelte Romillys Kopf. »Ist Rael schon zu seiner Reitstunde fort? Ich hoffe, die Sonne ist nicht zu stark für ihn, er hat sich noch nicht wieder völlig erholt.« Stirnrunzelnd betrachtete sie das Durcheinander von Fäden und die schwankenden Reihen farbiger Stiche. »Oh, liebes Kind, so geht das nicht! Gib mir die Nadel, Romilly, du hältst sie wie einen Striegel! Halte sie so, siehst du? Jetzt ist der Knoten ordentlich – geht es nicht leichter, wenn du sie so hältst?«
Widerstrebend nickte Romilly. Domna Luciella war nie anders als freundlich zu ihr gewesen. Aber sie verstand nicht, warum Romilly nicht genauso wie Mallina war, nur ein Stück weiter, da älter.
»Mach nun du ein Knötchen, so, wie ich es dir gezeigt habe«, sagte Luciella. »Siehst du wohl, das ist schon viel besser, mein Liebes. Ich wußte, du kannst es, du bist ja geschickt mit den Händen – deine Schrift ist viel sauberer als die Mallinas. Du versuchst es nur nicht. Calinda, ich wollte Euch bitten, den Kindern einen freien Tag zu geben – Rael ist bereits zu den Ställen gerannt? Auch gut, ich brauche nur die Mädchen. Ich möchte, daß sie mitkommen und ihre neuen Reitkleider aushat es? Ist es aus Samt wie das einer Dame?«
probieren. Die müssen fertig sein, wenn die Gäste zum Mittsommerfest eintreffen.«
Natürlich quietschte Mallina vor Freude.
»Ein neues Reitkleid für mich, Pflegemutter? Welche Farbe hat es? Ist es aus Samt wie das einer Dame?«
»Nein, mein Liebes, deins ist aus Gabardin, strapazierfähig und aufs Wachsen berechnet«, antwortete Luciella. Mallina murrte: »Ich habe es satt, Kleider mit dicken Säumen zu tragen, damit sie ein halbes Dutzend Mal verlängert werden können, wenn ich wachse. Und dann ist der Stoff ausgeblichen, so daß jeder sehen kann, wo der Saum ausgelassen worden ist.«
»Du mußt dich eben beeilen, mit dem Wachsen fertig zu werden«, erwiderte Luciella freundlich. »Es hat keinen Sinn, ein Kleid nach deinen Maßen zu nähen, wenn du nach sechs Monaten hinausgewachsen bist. Und du hast nicht einmal eine jüngere Schwester, an die du es weitergeben könntest.“
Lächelnd setzte sie hinzu: »Du hast Glück, überhaupt ein neues Kleid zu bekommen, weißt du. Du solltest Romillys alte tragen. Allerdings nutzt Romilly, wie wir alle wissen, ihre Reitsachen so ab, daß nach einem halben Jahr nichts mehr von ihnen übrig ist – man kann sie kaum noch dem Milchmädchen schenken.«
»Nun, ich reite ein Pferd«, erklärte Romilly. »Ich sitze nicht nur auf seinem Rücken und lächele schmachtend dem Stalljungen zu!«
»Biest!« fauchte Mallina und trat ihr heimlich gegen den Knöchel. »Das tätest du auch, wenn er dich nur ansähe! Aber dich wird nie jemand ansehen – du bist wie ein angezogener Besenstiel!«
»Und du bist ein fettes Schwein«, gab Romilly zurück. »Du könntest meine abgelegten Sachen sowieso nicht tragen, weil du so dick bist von all den Honigkuchen, die du schmatzt, wann immer du dich in die Küche schleichen kannst!“
»Mädchen! Mädchen!« flehte Luciella. »Müßt ihr ständig streiten? Ich habe um einen freien Tag für euch gebeten – wollt ihr statt dessen bis heute abend im Schulzimmer sitzen und Küchentücher säumen?«
»Nein, wirklich nicht, verzeih mir, Pflegemutter«, sagte Romilly schnell, und Mallina fragte muffig: »Soll ich mich vielleicht von ihr beleidigen lassen?«
»Nein, und du solltest sie auch nicht beleidigen«, seufzte Luciella. »Kommt, kommt, die Näherinnen warten auf euch.“
»Braucht Ihr mich noch, vai domna!« fragte Calinda. »Nein, geht und ruht Euch aus, mestra – ich bin sicher, Ihr habt es nach einem Vormittag mit meiner Brut nötig. Schickt zuerst den Stallknecht nach Rael. Er muß seine neue Jacke heute anprobieren, aber das kann warten, bis er mit seiner Reitstunde fertig ist.«
Voller böser Ahnungen folgte Romilly ihrer Stiefmutter in den Raum, wo die Näherinnen arbeiteten. Er war hell und luftig mit
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