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Herrin der Falken

Titel: Herrin der Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Hand, und Rael lehnte sich an Romillys Schulter. Sie drückte das Kind verstohlen an sich. Dann zeigte sie pflichtbewußt mit dem Finger auf die erste Zeile der handgeschriebenen Fibel. Sie war sehr alt; Romilly hatte aus demselben Buch lesen gelernt und, wie sie annahm, auch Ruyven und Darren vor ihr. Denn ihre eigene Großmutter hatte die Fibel für ihren Vater geschrieben und geheftet. Auf dem ersten Blatt stand in krakeligen Lettern Mikhail MacAran, sein eigenes Buch. Die Tinte begann, ein bißchen zu verblassen, aber es war noch vollkommen lesbar.
    »Das Pferd ist im Stall«, buchstabierte Rael langsam. »Das Huhn ist auf dem Nest. Der Vogel ist in der Luft. Der Baum ist im Wald. Das Boot ist auf dem Wasser. Die Nuß ist auf dem Baum. Der Junge ist in der –« Er betrachtete das Wort finster und riet: »Scheune?«
    Romilly lachte leise. »Bestimmt wünscht er sich, dort zu sein, genau wie du«, flüsterte sie. »Aber das ist nicht richtig, Rael. Sieh hin, was ist der erste Buchstabe? Sprich ihn aus.«
    »Der Junge ist in der Küche«, las Rael verdrießlich. »Das Brot ist – im Topf?«
    »Rael, du rätst schon wieder«, sagte Romilly. »Sieh dir die Buchstaben an. Du kannst es doch.«
    »Das Brot ist im Ofen.«
    »Das ist richtig. Jetzt versuch es mit der nächsten Seite.«
    »Die Köchin bäckt das Brot. Der Bauer –« er zögerte, bewegte die Lippen, betrachtete finster die Seite. »Sammelt?«
    »Das ist richtig, mach weiter.«
    »Der Bauer sammelt die Nüsse. Der Soldat reitet das Pferd. Der Knecht legt den Sattel auf das Pferd. Romy, wann darf ich etwas lesen, das Sinn hat?«
    Wieder mußte Romilly lachen. »Wenn du deine Buchstaben ein bißchen besser kennst«, antwortete sie. »Zeig mir dein Schreibheft. Ja, die Buchstaben hast du geschrieben, aber sieh mal, sie wackeln über die Linie wie Enten, wo sie doch ordentlich marschieren sollten wie Soldaten – siehst du, wo Calinda für dich die Linie mit dem Lineal gezogen hat?« Sie legte die Fibel beiseite. »Aber ich will Calinda sagen, daß du deine Aufgabe kannst, soll ich?«
    »Dann können wir vielleicht zu den Ställen gehen«, wisperte Rael. »Romy, hat Vater dich dafür geschlagen, daß du den Falken gezähmt hast? Ich hörte Mutter sagen, er sollte.«
    Daran zweifele ich nicht im geringsten, dachte Romilly. Doch Lady Luciella war Raels Mutter, und sie wollte zu dem Kind nicht schlecht über sie sprechen. Und Luciella war niemals wirklich unfreundlich zu ihr gewesen. Sie antwortete: »Nein, ich bin nicht geschlagen worden. Vater sagte, ich hätte es gut gemacht – andernfalls hätte er den Falken verloren, und Verrin-Falken sind teuer und selten. Dieser war nahe daran, auf dem Block zu verhungern.«
    »Wie hast du es gemacht? Kann ich eines Tages auch einen Falken zähmen? Ich hätte Angst, sie sind so wild –«
    Seine Stimme war lauter geworden. Calinda hob den Kopf und sah sie stirnrunzelnd an. »Rael, Romilly, beschäftigt ihr euch mit der Aufgabe?«
    »Nein, mestra«, antwortete Romilly höflich. »Er ist fertig. Er hat zwei Seiten der Fibel mit nur einem Fehler gelesen. Dürfen wir jetzt gehen?«
    »Ihr wißt, ihr sollt beim Arbeiten nicht flüstern und schwatzen«, sagte die Erzieherin, aber auch sie sah müde aus. »Rael, bring mir dein Heft. Oh, das hast du gar nicht gut gemacht!«
    Sie schüttelte den Kopf. »Die Buchstaben laufen ja über die ganze Seite weg! Ein großer Junge wie du sollte besser schreiben. Setz dich und nimm deine Feder.«
    »Ich will aber nicht«, erklärte Rael. »Mir tut der Kopf weh.«
    »Wenn dir der Kopf weh tut, werde ich deiner Mutter sagen, daß es dir nicht gut genug geht, um nach dem Unterricht zu reiten.« Calinda verbarg das Lächeln, das ihre Lippen umspielte. Rael setzte sich verdrießlich, krümmte die Faust um die Feder und begann, eine weitere Reihe von beschwipsten Druckbuchstaben zu malen. Seine Zunge lugte ein Stückchen zwischen den Zähnen hervor, und sein Gesicht war finster.
    »Mallina, geh und wasch dir die Tinte von den Fingern. Romilly, hol deine Stickerei, und Mallinas kannst du auch gleich mitbringen«, befahl die Erzieherin, über Raels Pult gebeugt. Romilly trat stirnrunzelnd an den Schrank und zog ihren und ihrer Schwester Arbeitskorb hervor. Sie war recht geschickt mit der Feder, aber, so dachte sie ärgerlich, man drücke mir eine Nadel in die Hand, und ich könnte ebensogut Hufe wie Finger haben!
    »Ich will dir noch einmal zeigen, wie man den Knötchenstich macht.« Calinda nahm

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