Herrin der Falken
breiten Fenstern und grünen Pflanzen – keine Blumen, denn Luciella war eine praktische Frau, sondern Töpfe mit Küchen-und Heilkräutern, denen die durch die Glasscheiben fallenden Sonnenstrahlen einen süßen Duft entlockten. Luciellas Geschmack neigte zu Kräuseln und Volants. Aus einem früheren Streit schloß Romilly, daß ihr Reitkleid, wenn Luciella es bestellt hatte, entsetzlich aufgedonnert sein würde. Doch dann sah sie das Kleid. Es war aus dunkelgrünem Samt, und der Schnitt betonte geschickt ihre Schlankheit. Dabei war es einfach, ohne anderen Aufputz als ein einziges weißes Band um den Ausschnitt. Die Farbe war genau die ihrer grünen Augen und ließ ihr kupfernes Haar leuchten. Romilly errötete vor Vergnügen.
»Es ist wunderschön, Pflegemutter.« Sie hielt so still, wie sie konnte, während die Näherinnen das Kleid an ihrem Körper absteckten. »Es ist fast zu fein für mich!«
»Nun, du wirst ein gutes Kleid für die Beize und die Jagd brauchen, wenn die Leute von Hohenklippen zum Mittsommerfest kommen«, sagte Luciella. »Zeig ruhig, was für eine gute Reiterin du bist. Ich finde nur, du brauchst ein Pferd, das für eine Dame besser geeignet ist als der alte Windracer. Ich habe mit Mikhail wegen eines guten Pferdes für dich gesprochen – war da nicht eins, das du selbst trainiert hast?“
Romilly keuchte auf vor Begeisterung, und ihre Stiefmutter lächelte. Dem Mädchen war erlaubt worden, ihrem Vater beim Trainieren der drei edlen Rappen von den Lanart-Gütern zu helfen, und sie gehörten zu den besten Pferden, die den Ställen von Falkenhof Ehre machten. Wenn ihr Vater zustimmte, daß sie eins dieser Pferde bekam – voll Freude und Entzücken stellte sie sich vor, wie sie auf einem der temperamentvollen Rappen über die Hügel galoppierte, Preciosa auf ihrem Handgelenk. Ihre spontane Umarmung verblüffte Luciella. »Oh, danke, ich danke dir, Stiefmutter!«
»Es ist ein Vergnügen, dich ganz als Dame zu sehen.« Luciella freute sich über den hübschen Anblick, den Romilly in dem grünen Kleid bot. »Zieh es jetzt aus, mein Liebes, damit es genäht werden kann. Nein, Dara«, wandte sie sich an eine der Näherinnen, die Mallinas Kleid über ihren vollen jungen Brüsten absteckte, »die Jacke da nicht so eng, das schickt sich nicht für ein so junges Mädchen.«
Mallina schmollte: »Warum müssen alle meine Kleider wie Kinderkittel geschnitten sein? Ich habe schon mehr Figur als Romilly!«
»Das hast du wirklich«, bemerkte Romilly. »Wenn deine Titten noch weiter wachsen, kannst du dich als Amme verdingen.« Kritisch betrachtete sie Mallinas schwellenden Körper. Das jüngere Mädchen zischte: »Ein Damenkleid ist an dich verschwendet, du könntest ein Paar von Darrens alten Hosen tragen! Du würdest am liebsten wie ein Stalljunge herumlaufen, in alten Ledernen, wie eine aus der Schwesternschaft vom Schwert!«
»Kommt, kommt«, sagte Luciella friedlich. »Mach dich nicht über die Figur deiner Schwester lustig, Romilly. Sie wächst schneller als du, das ist alles. Und du bist auch still, Mallina. Romilly ist jetzt erwachsen, und euer Vater hat strengen Befehl gegeben, daß sie nicht mehr mit Stiefeln und Hose im Herrensitz reiten darf. Dafür bekommt sie ein richtiges Damenkleid und einen Damensattel. Zu Mittsommer werden die Leute von Hohenklippen zur Beize und Jagd herkommen, vielleicht auch Aldaran von Scathfell mit seinen Söhnen und Töchtern und ein paar Leute von Storn-Höhe.«
Mallina jubelte – die Zwillingstöchter von Scathfell waren ihre engsten Freundinnen, und während des Winters hatten schwere Schneefälle Falkenhof von Scathfell und Hohenklippen getrennt. Romilly empfand keine solche Freude. Jessamy und Jeralda waren etwa in ihrem Alter, aber ähnlich wie Mallina, rund und weich, eine Beleidigung für jedes Pferd, das sie tragen mußte. Ihre Aufmerksamkeit galt viel mehr dem Sitz ihrer Reitkleider und den Ornamenten auf Sattel und Zügel als dem Wohlbefinden ihrer Pferde oder ihrer eigenen Reitkunst. Der älteste Sohn von Hohenklippen war in Ruyvens Alter und sein liebster Freund gewesen. Er behandelte Romilly und sogar Darren als kleine Kinder. Und die Leute von waren alle erwachsen, die meisten verheiratet, und einige hatten schon Kinder. Nun, vielleicht bekam sie Gelegenheit, mit ihrem Vater und Darren, der aus Nevarsin erwartet wurde, auszureiten und Preciosa fliegen zu lassen. Es wäre nicht allzu schlimm, wenn sie dazu, solange Besuch da war, einen
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