Herrschaft der Alten (Roman) (Science Fiction Thriller /Herrschaft der Alten Gesamtausgabe) (German Edition)
sollte ich es tun, bevor ich vielleicht einmal nicht mehr kann. Ich wüsste oft nicht, was ich ohne dich machen sollte, Benn. Jemand anders hört mir ohnehin nicht mehr zu. Wer weiß, vielleicht würde ich einfach aufhören zu atmen und alles wäre dann irgendwann vorbei ...“
Ob dies Mölders letztes Weihnachten sein würde wusste Benn nicht. Aber wenn alles gut ging, war es zumindest das letzte Mal, dass Benn bei Mölders war, auch wenn dieser davon natürlich nichts ahnen konnte.
Ein Gedanke, der ihm noch vor ein paar Minuten völlig abstrus erschienen wäre, ging Benn in diesem Moment durch den Kopf. Aber jetzt erschien er ihm vollkommen einleuchtend und beinahe unausweichlich: Ich werde ihn vermissen, dachte er.
Weihnachten war Benn schon immer sehr schweigsam gewesen - unter all den alten Leuten, die in irgendeiner Weise alle mit ihm verwandt waren. Aber diesmal war er besonders schweigsam, was vielleicht mit dem Gedanken zu tun hatte, dass es so ein Weihnachten für ihn nie wieder geben würde und dass sich in wenigen Tagen vielleicht sein Leben von vorne bis hinten ändern würde.
Sein Großvater Lennart war noch auf Reisen, was den Vorteil hatte, dass Benn ganz sicher ein gut funktionierendes Fahrrad zur Verfügung haben würde, wenn es soweit war.
Benn nahm die Fragen nach seinen Zukunftsplänen diesmal gelassener hin als sonst. Er regte sich nicht einmal über Jennifer auf, die irgendwo zwischen neunzig und hundertzehn sein musste, genau wusste er es nicht mehr, ebenso wenig wie er den genauen Verwandtschaftsgrad hätte angeben können. Jennifer wohnte im näheren Umkreis des Holoparks Süd und dementsprechend negativ war ihre Meinung über die unnützen, ruhestörenden und ihrer Ansicht nach nur kriminelle Instinkte weckenden Holo-Drama-Events, die dort stattfanden. Dass es dort zuletzt eine Razzia der Bundesforce gegeben hatte und man jemanden festgenommen hatte, der einen Tarnanzug aus dubioser Quelle getragen hatte, war natürlich nur neue Nahrung für ihre Schreckenswarnungen vor einer verrohten und völlig aus dem Ruder laufenden Jugend.
„Was soll denn nur werden? Wir haben doch so wenig junge Leute und wenn die Betreiber dieses sogenannten Holoparks deren psychische Gesundheit ungestraft vergiften dürfen, dann muss man sich doch nicht wundern, dass es mit allem irgendwie bergab geht!“, jammerte sie. Irgendwann waren sich dann alle bis auf Benn einig, dass man dieses holografische Teufelszeug doch am besten verbieten sollte. „Zu unserer Zeit hat man noch am Bildschirm oder an der Konsole gespielt!“, brachte es Jennifers zweiter Mann auf den Punkt. „Auch wenn da jede Menge Blut geflossen ist, war das doch ungefährlich, weil jeder wusste, dass das nicht echt ist. Der Fehler ist, aus virtuellen Spielen Wirklichkeit machen zu wollen!“
Lass sie reden!, dachte Ben. Es ist ja das letzte Mal.
„Naja, aber man braucht schon einiges an kreativem Talent, um solche Holo-Sachen zu entwerfen!“, begann Felicitas – viel zu spät - ihren Sohn zu verteidigen.
Na, wer sagst's denn!, dachte Benn. Sie hat ja doch mütterliche Gefühle. Wer weiß, wenn ich bis fünfundsiebzig bleiben würde, könnte ich vielleicht doch noch erleben, dass du nichts mehr dagegen hast, wenn man dich Mama nennt!
Benn verfolgte den solaren Wetterbericht in den nächsten Tagen sehr genau. Mit Nicolas hatte er vereinbart, dass der ihm ein verschlüsseltes Signal sandte, falls es doch noch irgendwelche Schwierigkeiten wegen des Anzugs geben sollte. Nicolas hatte ihm zwar wiederholt versichert, dass da keine Gefahr bestünde, aber bei Benn war in diesem Punkt ein ziemlich großer Zweifel zurückgeblieben. Angeblich konnte der Festgenommene Nicolas nicht verraten, weil der den Kauf vollkommen anonym abgewickelt hatte. Benn hoffte nur, dass das auch wirklich zutraf.
Ein gutes Gefühl hatte er dabei nicht.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag gab es eine Sturmflut, die ein weiteres Stück der Niederlande für immer wegschwemmte. Das Nachbarland hatte in den letzten fünfzig Jahren die Hälfte seiner Fläche dem Meer zurückgeben müssen und maß nur noch an die 20.000 Quadratkilometer. Benn sah die Bilder von den Evakuierungen auf dem Wand-Display. Inzwischen waren diese Ereignisse nichts Besonderes mehr. Sie wiederholten sich Jahr für Jahr. Und selbst die hochentwickeltste Entwässerungstechnik und die besten Deiche der Welt konnten gegen den rapiden Anstieg des Meeresspiegels letztlich nichts ausrichten. Die
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