Herrschaft der Alten (Roman) (Science Fiction Thriller /Herrschaft der Alten Gesamtausgabe) (German Edition)
emsländische Bucht fraß sich ja schon tief in die norddeutsche Ebene hinein – aber inzwischen konnte man sich ausrechnen, wann die erste Sturmflut Xanten am Niederrhein heimsuchen würde. Der Großteil der niederländischen Evakuierten wurde über die Grenze nach Deutschland gebracht. Aber niemand freute sich über diesen Bevölkerungszuwachs und eine Regierungssprecherin beeilte sich, sofort zu versichern, dass die Flüchtlinge nur vorübergehend aufgenommen würden. So vorübergehend wie die Evakuierten vom letzten und vom vorletzten Jahr!, dachte Benn. Jeder wusste, dass sie in Wahrheit für immer bleiben würden. Nur waren sie leider im Durchschnitt genauso vergreist wie die Bevölkerung diesseits der Grenze.
Benn sah den eingeblendeten Link zu einem Spendenkonto. Dieselbe Prozedur wie jedes Jahr!, dachte Benn. Irgendwie schien es dazu zu gehören wie Weihnachten und das Jahresende selbst.
Im neuen Jahr erwachte Benn eines Nachts schweißgebadet nach einem Traum. In diesem Traum war er uralt gewesen und genauso hilflos wie Mölders in einem Antigrav-Aggregat gefangen, dessen Menue aus irgendeinem unerfindlichen Grund einfach keinerlei Befehle mehr annahm. Aber es war auch niemand da, der ihm hätte helfen können.
Er war vollkommen allein gewesen. Schließlich war es ihm gelungen – auf eine Weise, die wohl nur in einem Traum logisch erscheinen konnte – eine Nachricht an Sara zu schicken. Ihre Antwort hatte ihn aufwachen lassen. >Tut mir leid, ich kann dir nicht helfen. Mein Antigrav-Aggregat reagiert auch nicht mehr und scheint irgendwie blockiert zu sein. Schlage vor, wir warten einfach auf den Tod.<
Benn gab das Signal zur Durchführung des Plans, als Warnstufe zwei ausgerufen wurde. Diese Stufe bedeutete, dass Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel gewarnt wurden, weil sie möglicherweise ihr Ziel noch erreichen, aber nicht mehr nach Hause zurückkehren konnten, da die vorübergehende Stilllegung der Gleitersysteme zu den geplanten Maßnahmen zählte, die dazu dienen sollten, die Schäden durch den Sonnensturm so gering wie möglich zu halten.
Acht Minuten brauchte ein Sonnensturm, um die Erde zu erreichen. Acht Minuten, das war natürlich viel zu knapp, um noch irgendetwas dagegen unternehmen und wenigstens die schlimmsten Auswirkungen verhindern zu können.
Aber inzwischen gab es durch eine Reihe von Beobachtungssonden ein gut funktionierendes System zur Vorhersage und Frühwarnung, sodass man schon Stunden oder Tage vor einem schweren Sonnensturm mit den ersten Maßnahmen beginnen konnte.
Mit ihren Fahrrädern trafen sie nacheinander bei Tom, dem dubiosen Operateur ein, der ihnen die Implantate herausschneiden sollte. Bahar war die letzte.
Gemeinsam betraten sie das Studio, in dem auch Cherry und der dürre Bran anwesend waren.
„Na, dann kann es ja losgehen!“, sagte Tom locker. „Wer will zuerst?“
Schweigen schlug ihm entgegen.
„Ich“, sagte schließlich Bahar. „Ich weiß ja schon, wie das ist, nicht mehr das Flimmern der Netzhautanzeige zu sehen und wirklich offline zu sein!“
Die Operation selbst war weder besonders schmerzhaft noch eigentlich eine große Sache. Aber anscheinend musste man ein paar Tricks beachten, damit die Geräte nicht sofort eine Meldung an die Bundesnetzkontrolle abschickten. Anschließend gab es einen kleinen Sprühverband und für die Chips eine Reinigung, die auf Benn einen recht fachgerechten Eindruck machte.
Sara hielt sich die Schläfe und ihr Gesicht wirkte fast etwas verstört.
Als sie den Blick bemerkte, mit dem Benn sie bedachte, lächelte sie verhalten und etwas verkrampft. „Es ist fast wie ein Phantomschmerz“, sagte sie.
„Netzhaut- und Innenohradapter sind noch da!“, erinnerte Benn sie.
„Ich weiß. Aber sie sind ...“
„... dunkel!“, vollendete Benn.
Sara schluckte. „Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass mir das so fehlen würde!“
„Tja, jetzt ist jeder von euch allein und auf sich gestellt“, mischte sich der dürre Bran ein. „Wahrscheinlich zum ersten Mal in eurem Leben.“
„Und auch nur für kurze Zeit“, ergänzte Benn. Denn er zweifelte nicht daran, schon sehr bald ein neues Implantat eingesetzt zu bekommen – sobald die Flucht hinter ihnen lag.
Ungechipte Flüchtlinge bekamen sie in allen Einwandererstaaten sogar umsonst. Bis fünfundzwanzig galt man als bildungsfähig, gesund und charakterlich formbar und war deshalb ziemlich uneingeschränkt willkommen. Danach wurde es mit jedem
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