Herrscher der Eisenzeit
Stammeskriege und Clanfehden – wird von Tag zu Tag kleiner, da die Römer sehr darauf drängen, Konflikte künftig nicht mit dem Schwert in der Hand auf dem Feld, sondern dem Anwalt an der Seite im Gericht beizulegen. Um dies zu bekräftigen, ergeht bereits in einem recht frühen Stadium der römischen Besetzung in Britannien das Gesetz, dass Zivilpersonen keine Waffen tragen dürfen. Und je mehr die römischen Strukturen wachsen, desto mehr werden aus den Klientenkönigen einflussreiche römische Verwaltungsträger, die in ihrem Distrikt eigenständig agieren. Unterstützung – in der Regel militärische – erhalten sie vom Statthalter nur noch für spezielle Aufgaben wie die Steuereintreibung von unwilligen Zahlern, Bedrohung des Verwaltungsgebietes von außen oder bei Stämmen, bei denen die Romanisierung nur langsam voranschreitet.
Das wirkungsvollste Element des Prozesses der Romanisierung ist jedoch die Sprache. Latein wird zum Muss. Wer Karriere in der Verwaltung (egal ob auf Provinz- oder lokaler Ebene) machen möchte, muss Latein sprechen. Wer erfolgreich Geschäfte mit Händlern von außerhalb Britanniens machen möchte, muss Latein sprechen. Es ist die internationale Verkehrssprache, denn natürlich kommen die Händler, die ihre Waren in Londinium, Camulodunum, Venta Icenorum (Caistor-by-Norwich) etc. anbieten, nicht alle aus Rom. Sie kommen aus Griechenland, aus Afrika und anderen römischen Provinzen, in denen Latein nicht die Mutter-, sondern offizielle Amtssprache ist. Auch kann Rom einen entscheidenden Vorteil aus der Tatsache ziehen, dass sich über die Jahrhunderte hinweg keine keltische Schriftsprache entwickelt hat.
Treibende Kräfte sind Mode und Lifestyle. Das römische Besiedlungskonzept basiert nicht auf dem einzelnen Landsitz, sondern der Stadt. Doch man wohnt nicht dort, wo es laut und schmutzig ist. Wer als britannischer Adliger etwas auf sich hält, lebt in einer Villa römischen Stils auf dem Land und hat in der Stadt eine Wohnung. Hier spielt das Leben, wobei nur römische Vergnügungen angeboten werden. Und die sind so anders als die traditionellen einheimischen, wie die frühe Form des Hockey oder die Jagd mit wertvollen Hunden. Da gibt es die Zerstreuung im Badehaus, Spiele in Amphitheatern, Gladiatorenkämpfe und Bordelle, Dinnerpartys und vieles mehr. Wer »in« sein will, geht dorthin – und spricht Latein. Wie heute die Anglizismen ins Deutsche, halten lateinische Modewörter Einzug in die keltische Sprache. Auch die rein menschliche Ebene darf nicht vernachlässigt werden. Hier gibt es viele Facetten.
Zunächst einmal ist der in die römischen Hilfstruppen rekrutierte britannische Krieger Bestandteil einer römischen Institution und muss, um klarzukommen, natürlich zumindest rudimentär Latein sprechen.
Römische Legionäre dürfen während ihrer Dienstzeit nicht heiraten. Das beschränkt sich jedoch nur auf den formellen Akt selbst. Natürlich haben viele Legionäre Familien, die in der Nähe der jeweiligen Garnison leben. Nach der Entlassung aus dem Dienst erhalten die Legionäre in der Regel ein Stück Land in dem Ort, wo sie zum Schluss gedient haben, und bleiben mit ihren Familien dort. Die wenigsten zieht es in die Heimat zurück. Britannien ist schließlich kein »Ausland« im modernen Sinne, es ist integraler Bestandteil des Römischen Reiches. Man spricht Latein, ist in Beziehungsgeflechte eingebunden, hat römische Verwaltungsstrukturen um sich herum. Die Vermischung römischer und keltischer Wertvorstellungen, Gedankenwelten, kultureller und religiöser Aspekte auf familiärer Ebene ist kaum abzuschätzen.
Der Handel ist ein wichtiger Gesichtspunkt. Römischen Legionären und Offizieren ist das Handeltreiben offiziell verboten, und so finden sie in der britannischen Bevölkerung willige Agenten, die gegen ein Entgelt für sie tätig werden. Auf der britannischen Seite müssen Agenten wie auch Händler natürlich nicht nur Latein lernen, sie müssen sich auch an völlig neue Gepflogenheiten gewöhnen. Münzen wurden bislang nur als repräsentative Geschenke von Herrschern an andere Herrscher geprägt. Jetzt kommen sie in großen Mengen nach Britannien, durch Händler oder als Sold der Legionäre, und werden zum universellen Tauschmittel. Die Geldwirtschaft hat begonnen. Das ganze Wirtschaftssystem wird auf den Kopf gestellt. In vorrömischer Zeit produzierte man für den Eigenbedarf. Überschüsse wurden verwendet, um die Dinge einzutauschen, die man selbst
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