Herrscher der Eisenzeit
dessen Oberfläche in einem speziellen Verfahren behandelt wird, sodass sie die Struktur eines exquisiten, feinen Wildleders hat. Die Schriftgestaltung selbst, die riesigen Anfangsbuchstaben, die wie eigene kleine Gemälde wirken, stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum und gelangt unter den Pinseln der irischen Mönche zu neuer Meisterschaft (s. Farbbildteil Abb. 34). Zwei Zentren der Manuskriptkunst sind Durrow und Kells.
Die Missionarstätigkeit irischer Mönche beschränkt sich jedoch nicht auf die Britischen Inseln. Bis tief nach Mitteleuropa hinein stoßen die keltischen Mönche vor. Unzählige Klostergründungen werden von ihnen inspiriert. In den Alpen entsteht um 720 das Kloster St. Gall, benannt nach dem 612 dort gestorbenen irischen Heiligen, und wird zum Zentrum des Lernens. Auf der Suche nach Wissen können die Menschen bald europaweit von Abtei zu Abtei reisen.
Klostergründungen irischer Mönche in Europa. Da einige der Gründungen auf dem europäischen Festland durch Missionare erfolgten, die aus von irischen Mönchen gegründeten Klöstern in Schottland stammten, spricht man auch von einer »iro-schottischen Missionierung«.
Doch die keltische Kirche hat Konkurrenz. Anfang des 7. Jahrhunderts stehen sich die keltische Klosterkirche und die römische Bischofskirche im unversöhnlichen Gegensatz gegenüber. Das angelsächsische heidnische Britannien ist der Platz, auf dem der Showdown der beiden Konkurrenten ausgetragen wird. Das Wettrennen um die Seelen der Angelsachsen hat begonnen.
Zunächst scheint der Vorteil bei den Kelten zu liegen. Dál Riada , Pictland, Wales und Teile Northumbrias sind aufgrund ihres keltischen Hintergrunds bereits nach dem Muster der keltischen Kirchekonvertiert. Doch die römische Kirche holt schnell auf. Ihre Missionare sind dynamischer, und sie haben den Vorteil, mit ihren festen Strukturen ein einheitliches, schnell reproduzierbares System anbieten zu können. Anfang des 7. Jahrhunderts entsteht mit dem Bistum von Canterbury das wichtigste Zentrum der römischen Christianisierung. 625 verbinden sich Kent und Northumbria durch Heirat; nur zwei Jahre später konvertiert der König Northumbrias, Edwin, zur römischen Kirche. Der Vormarsch der keltischen Mönchskirche wird deutlich verlangsamt, an einigen Stellen kommt er sogar ganz zum Stillstand.
Ein kleiner Unterschied zwischen der keltischen und der römischen Kirche bringt schließlich die Entscheidung: die Berechnung des Tages der Auferstehung des Herrn, Ostern. In einem langen Streit im Jahre 664 wird im Rahmen der Synode von Whitby letztlich der römische Feiertag als verbindlich festgelegt. So gering der Unterschied auch erscheinen mag, er ist letztlich ausschlaggebend. In den Köpfen der Christen gilt von nun an der römische Kirchenkalender. Ungefähr 170 Jahre später wird er letztlich auch in die irischen Klostergründungen eingeführt. Die aufgrund ihrer nicht-hierachischen Struktur fehlende Einigkeit der Kelten tut ihr Übriges. Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts wird die keltische Mönchskirche in Europa und Britannien völlig von der römischen-katholischen absorbiert. In den keltisch geprägten Klöstern werden keltische Ornamente zugunsten der durch Rom verbreiteten Stilrichtungen zurückgedrängt und gehen schließlich ganz unter.
Doch ist die »harte Konkurrenz« aus Rom nicht allein für den schnellen Untergang der keltischen Klosterkirche verantwortlich …
Und wieder Räuber und Plünderer …
Ab dem Jahr 798 wird in Irland die keltische Beschaulichkeit von Dynastiepflege, blühender Kunst und Wissenschaft in den Klöstern empfindlich gestört. Noch vor einigen Jahrhunderten waren die Iren selbst die »Seeräuber«, die Skoten; jetzt werden plötzlich ihre eigenen Küsten von eben solchen heimgesucht. Und die Vorgehensweise unterscheidet sich in keinem Detail: Auch hier sind es Angehörige von Königs- und anderen edlen Familien, die mit einem Gefolge von Kriegern von Norwegen aus losziehen, um Beute zu machen. Und die finden sie, denn an kaum einem anderen Ort ist mehr Reichtum aufgehäuft, als in den Klöstern der keltischen Kirche, die zum bevorzugten Ziel der seetüchtigen Räuber aus dem Norden, den Wikingern, werden. Für die keltischen Christen brechen harte Zeiten an, denn die Effektivität, mit der die Wikinger (die sich selbst »Ostmänner« nennen) vorgehen, ist beängstigend. Und sie beschränken sich nicht auf Irland. 793 bildet der Angriff auf Lindisfarne in Northumbria den
Weitere Kostenlose Bücher