Herrscher der Eisenzeit
Touristen und ihre Digitalkameras aufführen, so geraten auch die bretonischen Feste mehr und mehr zu Attraktionen für Fremde. Im Alltag tragen die Menschen Jeans, T-Shirts, Hemden, Anzüge und Kleider wie jeder andere Bewohner Frankreichs auch. Wer die »traditionelle bretonische Kleidung« als Souvenir mit nach Hause nehmen will, muss sich eine Trachtenpuppe kaufen.
In Irland hat sich der »Celtic Tiger« bis vor Kurzem noch äußerst positiv auf das Wirtschaftsgefüge Irlands ausgewirkt. Die Arbeitslosenquote lag 2006 mit 4,2 Prozent deutlich unter den 6,2 Prozent ( Quelle: Auswärtiges Amt ) des jährlichen Wirtschaftswachstums (auch wenn das durch Subventionen künstlich hochgehaltene Niveau 2010 mit aller Härte auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurde; Irland gehörte zu den ersten Ländern, die Mittel aus dem EU-Krisenfonds beantragte). Doch außer Pharma- und IT-Unternehmen entdecken Mitte der 90er-Jahre auch immer mehr Touristen die westlichste Insel Europas. Wer 1990 in Donegal in einerCottage Urlaub machte, musste zum Teil hart im Nehmen sein und eine große Liebe zum Land mitbringen. Oft genug kein Strom, die einzige Wärmequelle ein Torffeuer und der nächste Pub eine Weltreise entfernt. Inzwischen beherbergt Donegal neben einem renommierten Technical College, einem hochmodernen Gewerbepark und einer Serverfarm auch mehrere exklusive Golfplätze. Die Hotels und Cottages sind modern, um der Klientel alle Annehmlichkeiten der Zivilisation zu bieten. Was der Tourist auch erwartet, wenn er nach Irland kommt, sind traditionelle Irish Pubs, vorzugsweise mit live Folk Music, und auch die gibt es in großer Zahl. Dieses relativ leicht reproduzierbare Konzept der »typisch irischen Gastlichkeit« hat sich zum Exportschlager entwickelt. Allerdings befinden sich inzwischen in einem solchen Pub in Irland unter den Gästen oft etwa genauso viele Iren wie beispielsweise in Deutschland. Die Jugendlichen bevorzugen die stylishen Clubs und Bars in Dublin und Belfast, in denen Jazz, Blues und Lounge Music dominieren.
Die »letzten Kelten« haben aus der Not eine Tugend gemacht. Sie haben sich nicht gegen eine Entwicklung gestellt, die aufzuhalten ohnehin nicht in ihrer Macht gestanden hat. Der Tourismus sichert die Existenzen vieler Tausend Familien, die den Preis dafür mehr als bereitwillig zahlen.
Doch manchmal ist der Preis höher, als erwartet.
Gekommen, um zu bleiben
Im Altertum und Mittelalter hat man die Kelten noch mit Lanze, Schwert, Hellebarde und Muskete von ihrem Land vertrieben. Heute kauft man einfach Häuser in der Nachbarschaft.
Die Küstenregionen der Bretagne leben nach dem Niedergang der Fischerei inzwischen fast ausschließlich vom Tourismus. In Cornwall schloss 1998 die letzte Zinnmine, South Crofty, die zwar 2004 aufgrund des weltweit steigenden Zinnbedarfs wieder eröffnet, jedoch modernisiert wurde und jetzt erheblich wirtschaftlicher (i.e. mitweniger Arbeitskräften) betrieben wird. Wie auch in Westirland oder in den schottischen Highlands gibt es so gut wie keine Landwirtschaft, oder anderweitige nennenswerte Industrie, von der die Bevölkerung leben könnte, wobei Irland noch den Vorteil der ausländischen Arbeitgeber hat.
Was all diese Regionen jedoch zweifellos haben, ist eine atemberaubende Landschaft, eine einmalige Naturschönheit. Die zerklüfteten Küsten von Cornwall oder der Bretagne haben über die Jahrtausende nichts von ihrem Reiz eingebüßt. Und viele Tausend Touristen kommen jedes Jahr, um sich diese wunderbaren Landstriche anzusehen.
Kann es etwas Schöneres geben, als hier zu leben?
Und so ist sie schließlich nicht mehr aufzuhalten, die letzte Invasion in die Siedlungsgebiete der Kelten. Die Vorboten der letzten Welle der Eroberer sind keine Krieger, sondern Grundstücksentwicklungsgesellschaften und Immobilienmakler. Und dann rücken sie an, die englischen, amerikanischen und französischen Ferienhausbesitzer und Eigentümer von exklusiven Altersruhesitzen. Eine Klientel, die – wie die vorrangig walisischen und englischen Ferienhausbesitzer in der Bretagne – am Zweitwohnsitz keine Abgaben an die Gemeinde leistet, und die weder Pfund, noch Dollar oder Euro vor dem Ausgeben zweimal umdrehen muss. Noch weniger müssen sie ihren Lebensunterhalt in der Region verdienen, in der sie sich ansiedeln.
Im Gegensatz zu den Einheimischen. Und selbst wenn der Tourismus boomt, so sind inzwischen die wenigsten noch in der Lage, die Grundstückspreise zu zahlen, die im
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