Herrscher der Eisenzeit
Zuge dieser Einwanderung der Wohlhabenden astronomische Dimensionen erreicht haben. Kein Anreiz für junge Leute, in der Heimat ihrer Eltern zu bleiben. Warum auch, wenn Wohnungen und Häuser sogar in den Städten deutlich preiswerter sind?
Ein letzter Aspekt. Man stelle sich vor, eine bretonische oder schottische Familie kämpft darum, die Sprache zu bewahren und versucht deshalb, sie als Alltagssprache zu Hause am Leben zu erhalten. Unddann sitzt da doch tatsächlich tagein, tagaus jemand daneben, der partout nichts anderes als Englisch oder Französisch spricht. Was es besonders übel macht: Man hat ihn nicht nur eingeladen, sondern gekauft . Er gehört zur Familie wie der Hund, jedoch mit dem Unterschied, dass man ihm noch mehr Aufmerksamkeit widmet als dem Tier. Sicher, man könnte den Fernseher einfach ausschalten, doch wer tut das schon? Fernsehen ist ein normaler Bestandteil des Lebens, und es existieren vergleichsweise wenige Programme auf Gälisch, Walisisch, Kernewek, Manx oder gar Bretonisch. Die wenigen, die es gibt, haben einen schweren Stand gegen die vielfältige englisch- oder französischsprachige Konkurrenz.
Gegangen, um zu überleben
Mehr als zwei Millionen Iren verlassen während der Hungersnöte von 1840/41 und in den Dekaden danach ihre Heimat und suchen eine neue Existenz buchstäblich am anderen Ende der Welt. Klassische Einwandererländer sind die USA und Australien, wo sich große Gemeinschaften formen. Die Bindungen an die alte Heimat sind stark. Nicht nur ist der 17. März, St. Patricks Day, in den USA mindestens genau so ein großer Festtag wie in Irland selbst (nur halt mit dem »amerikanischen Touch«, dass man gelegentlich sogar das Guinness grün einfärbt …). Ein großer Teil des irischen Unabhängigkeitskampfes wurde durch in den USA gesammelte Geldmittel finanziert, eine Quelle, auf die die Irish Republican Army noch immer zurückgreifen kann.
In sich geschlossene cornische Gemeinschaften außerhalb Cornwalls findet man heute vor allem in Südafrika und Australien, was nicht weiter verwundert. Sie haben die Arbeit in den niedergehenden Zinnminen von Cornwall gegen die in aufstrebenden Goldminen unter südlicher Sonne eingetauscht.
Im nordöstlichen Kanada liegt das Land der »Fiddler« und Ceilidh (Tanzveranstaltungen), Nova Scotia. Auf den ersten Blick könnteman den Eindruck gewinnen, hier ein blühendes keltisches Refugium entdeckt zu haben. Es gibt ein Gaelic College in St. Ann’s, ein »traditionelles« Highlanddorf in Iona (!), und an vielen Orten sieht man die farbenfrohen Schottenröcke. Laut Touristeninformation bekommt man hier »die gälische Erfahrung pur«. Doch wenn man unter die Oberfläche schaut, sieht man, dass Nova Scotia ein Kunstprodukt ist. Beginnen wir mit dem »Kilt«, dem Schottenrock, der nichts Keltisches an sich hat. Er ist die Erfindung des englischen Industriellen Thomas Rawlinson aus dem Jahre 1730, eine Abwandlung des über die Schulter getragenen gegürteten Mantels, den dessen schottische Arbeiter tragen. Er nahm den oberen Teil weg und gestaltete den verbleibenden unteren enger anliegend, indem er Falten einnähen ließ, womit eine praktische Arbeitskleidung entstand. Es wurde von den schottischen Aristokraten wiederentdeckt, die zu dieser Zeit schon längst mehr Engländer als Schotten waren. Das Hinterteil des echten keltischen Aristokraten bedeckte eine Hose. Im Gegenteil, der ursprüngliche geworfene Mantel galt bei den anglo-normannischen Südschotten als Kleidung von elenden Viehdieben.
Aber auch die Geschichte der Entstehung Nova Scotias spricht nicht dafür, dass es eine natürliche keltische Idylle ist. Ursprünglich eigentlich französisches Siedlungsgebiet (zu dieser Zeit hieß es noch »Acadie«) wird ein Teil davon 1713 formell britisch. 1763 gerät auch der restliche französische Teil, inzwischen »Cape Breton«, unter britische Verwaltung. Erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts, der Zeit der militärischen Niederschlagung der Hochlandschotten, beginnen die ersten Highlandaristokraten samt dem Clansvermögen in die neue Welt auszuwandern. Ende des 18. Jahrhunderts sind die Schotten in Schottland generell unerwünscht. Die englische Tuchindustrie braucht Wolle, die Grundbesitzer benötigen große, zusammenhängende Gebiete als Schafweiden, und da stören die Einwohner ganz erheblich. Nova Scotia wird als das neue Paradies vermarktet. Die Schotten verlassen ihre Heimat und siedeln sich vorrangig in Cape Breton an. Die zweite
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