Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
über Urteau herrschte, war Quellion noch immer eine Autorität, und er schien viel … bürgerlicher geworden zu sein. Nun hatte es den Anschein, als ob er bereit sei, eine Allianz mit Elant einzugehen.
Sazed empfand es als merkwürdig, dass Quellion so gefällig geworden war. Sie waren in seine Stadt eingefallen, hatten Chaos gesät und ihn beinahe umgebracht. Und nun hörte er ihren Friedensangeboten zu? Sazed war misstrauisch. Die Zeit würde zeigen, ob er Recht hatte.
Im Zimmer drehte sich Beldre um und bemerkte Sazed. Sie lächelte und stand auf.
»Bitte, Herrin Beldre«, sagte er, während er eintrat. »Ihr braucht nicht aufzustehen.«
Sie setzte sich wieder. Sazed untersuchte den Verband, den er Spuki angelegt hatte, und überprüfte den Zustand des jungen Mannes, indem er dessen Symptome mit Anmerkungen in den medizinischen Texten seiner Kupfergeister verglich. Still sah Beldre ihm zu.
Als er fertig war, drehte er sich um und ging.
»Vielen Dank«, sagte Beldre hinter ihm.
Sazed blieb stehen.
Sie warf einen raschen Blick auf Spuki. »Glaubt Ihr nicht … ich meine, hat sich sein Zustand verändert?«
»Ich fürchte, das hat er nicht, Herrin Beldre. Im Hinblick auf seine Gesundung kann ich leider gar nichts versprechen.«
Sie lächelte schwach und wandte sich wieder dem verwundeten Jungen zu. »Er wird es schaffen«, sagte sie.
Sazed runzelte die Stirn.
»Er ist nicht bloß ein einfacher junger Mann«, erklärte Beldre. »Er ist etwas Besonderes. Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat, mir meinen alten Bruder zurückzubringen, aber jetzt ist Quellion
wieder so wie früher – wie in der Zeit vor seinem Wahnsinn. Und die Menschen in der Stadt haben wieder Hoffnung. Genau das hat Spuki gewollt.«
Hoffnung …, dachte Sazed, und sah dem Mädchen tief in die Augen. Sie liebt ihn wirklich.
In gewisser Weise empfand Sazed das als dumm. Wie lange kannte sie den Jungen? Ein paar Wochen? Während dieser kurzen Zeit hatte Spuki nicht nur Beldres Liebe errungen, sondern war für eine ganze Stadt zum Helden geworden.
Sie sitzt hier voller Hoffnung und vertraut darauf, dass er sich erholen wird, dachte Sazed. Und als ich ihn zum ersten Mal wiedergesehen habe, war ich nur erleichtert darüber, dass er kein Weißblecharm ist. War Sazed wirklich so gefühllos geworden? Noch vor zwei Jahren hatte er sich hoffnungslos in eine Frau verliebt, die den größten Teil ihres Lebens damit verbracht hatte, ihn zu mäßigen. Eine Frau, mit der ihm nur wenige kostbare Tage vergönnt gewesen waren.
Er drehte sich um und verließ das Zimmer.
Sazed begab sich zu seinen Gemächern in dem Adelshaus, das sie für sich genommen hatten. Es war nun ihr neues Zuhause, da ihr früheres Quartier abgebrannt war. Es war schön, wieder richtige Mauern und Treppen statt der endlosen Regale und Höhlenwände um sich herum zu haben.
Auf seinem Schreibtisch lag die geöffnete Mappe, deren Leinenbezug aschfleckig war. Ein Papierstapel lag rechts von ihr, ein anderer zu ihrer Linken. In dem rechten Stapel waren nur zehn Blätter übrig geblieben.
Sazed holte tief Luft und setzte sich. Es war Zeit, seine Arbeit zu beenden.
Am späten Morgen des nächsten Tages legte er das letzte Blatt auf den linken Stapel. Er hatte die verbliebenen zehn rasch
durchgearbeitet, aber er hatte ihnen seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken können und war durch nichts abgelenkt worden. Er hatte den Eindruck, dass er sie gebührend in Betracht gezogen hatte.
Eine Weile saß er da und fühlte sich müde, was nicht nur vom Schlafmangel herrührte. Er fühlte sich … wie betäubt. Seine Aufgabe war erfüllt. Ein Jahr lang hatte er jede einzelne Religion in seiner Sammlung durchforstet. Und jede Einzelne hatte er verworfen.
Es war erstaunlich, wie viele Gemeinsamkeiten sie hatten. Die meisten hielten sich für das Maß aller Dinge und machten die anderen Religionen schlecht. Die meisten lehrten ein Leben nach dem Tode, konnten aber keinen Beweis dafür erbringen. Die meisten behaupteten, es gebe einen Gott – oder mehrere Götter –, aber auch dafür gab es keinen Beleg. Und jede Einzelne steckte voller Unstimmigkeiten und logischer Brüche.
Wie konnte man an etwas glauben, das einerseits Liebe predigte, andererseits aber die Vernichtung der Ungläubigen lehrte? Wie konnte man einen Glauben ohne Beweis annehmen? Wie konnte Sazed an etwas glauben, das von Wundern aus der fernen Vergangenheit berichtete, aber sorgfältig ausgearbeitete Entschuldigungen
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